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Extrem gegen Rechts

Seminar zu Extremismus und Menschenfeindlichkeit

Politischer Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit – sind das wirklich Themen für die Volksbund-Jugendarbeitskreise (JAK)? Ja, leider! So lautet die Antwort der insgesamt 17 neugierigen Teilnehmer aus den JAKs Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt, als sie im Februar zum Bildungsseminar „Extremismus und Menschenfeindlichkeit“ ins nordhessische Bad Emstal fahren. Dort erwartet Sie viel Wissenswertes und Erschreckendes. Ein Seminarbericht:

 Bildungsreferentin Deborah Krieg von der Frankfurter Jugendbegegnungsstätte Anne Frank beginnt das von der Volksbund-Stiftung Gedenken & Frieden unterstützte Seminar mit einem praktischen Workshop. Die jungen Erwachsenen sollen zunächst einmal ihre eigenen Vorstellungen zum Thema Rechtsextremismus zu Papier bringen: „Was bedeutet dieser Begriff genau? Warum haben wir uns bisher noch nicht so richtig damit beschäftigt? Ist denn das Thema Extremismus für den Volksbund überhaupt wichtig?“ Diese Fragen werden nun in drei Themengebiete aufgeteilt und anschließend heiß diskutiert: Extremismus, Menschenfeindlichkeit und Handlungsstrategien gegen diese.

Die typische Glatze?

 Es geht darum, die eigenen Menschen- und Rollenbilder zu hinterfragen. Dazu greifen die Ehrenamtler zu Stift und Zettel. So wollen sich ein Bild machen – und zwar wortwörtlich. So wandern die Vorstellungen aufs Papier und von dort umso deutlicher wieder zurück ins Bewusstsein. Was ist eigentlich typisch rechtsextrem für mich? Verbotene Zeichen und Symbole, ein bestimmtes Aussehen, extreme Denkweisen, unsoziales Verhalten und billige Parolen. Diese Merkmale ordneten die Jugendlichen in Bad Emstal mehrheitlich den politisch Extremen zu. Solche Klichees finden sich immer wieder: „Der typische Nazi hat eine Glatze“, sagt eine Teilnehmerin aus Niedersachsen. Weitere äußere oder innere Merkmale wie Bomberjacken, Springerstiefel, Ausländerfeindlichkeit und traditionelle Familienbilder werden genannt.

 Doch ist das nicht auch wieder zu oberflächlich betrachtet und selbst ein idiologisch geprägtes Denken? Ist es so? Um das größtenteils von den Medien oberflächlich geprägte Bild mit Fachwissen zu untermauern, steigen die Jugendlichen um Deborah Krieg nun in die Diskussion ein. Es geht um die verschiedenen Organisationsformen des Extremismus, die Ideologie, die Methoden – ein weites Feld. Dabei stellt sich zunächst die grundsätzliche Frage, was einen Menschen überhaupt in politischer Hinsicht „extrem“ macht. Die Definition des Begriffes ist scheinbar schnell gefunden: Jeder, der gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstößt, ist extrem, entweder rechts oder links. Dazwischen befindet sich die demokratische Mitte.

Einstellung und Position

 Doch die Seminarteilnehmer sind skeptisch: „Wo ist denn religiöser Extremismus in diesem Modell zu finden?“ und „Was ist mit Menschen, die zwar gegen Immigranten sind, die NPD jedoch nie wählen würden?“ Die Referentin erklärt, dass man zwischen „extremen Einstellungen“ und „extremen Positionen“ unterscheiden muss. Nicht viele Menschen haben eine rechtsextreme Grundeinstellung, verneinen die Menschenrechte und den Holocaust. Doch es gibt zahlreiche Personen, die einzelne rechte Positionen etwa zu Homosexuellen oder ausländisch aussehnden Mitbürgern teilen. Dies seien dann aber lediglich Positionen aber noch keine extreme Grundeinstellung, die das gesamte soziale Verhalten und Denken weltanschaulich prägen würde.

 Diese Unterscheidung zwischen extremen Positionen und extremen Einstellungen führt zum zweiten Themengebiet des Seminars: die Menschenfeindlichkeit. Johanna Lanius und Marlene Paar vom JAK Hessen sowie Angela Salden vom JAK Hamburg entwickelten dazu folgende Definition: „Menschenfeindlichkeit ist diskriminierendes Denken und Verhalten gegenüber Gruppen und Personen mit anderer Einstellung, Aussehen oder Herkunft, zum Beispiel Ethnie, Religion oder Sexualität.“

Jeder ist Täter, Opfer, Zuschauer

 „Auch hier muss wieder zwischen Einstellung und Position unterschieden werden“, erläutert Deborah Krieg, „man kann diskriminieren ohne diskriminierende Absichten zu haben.“ Vor allem unter Jugendlichen ist die Sprache schnell diskriminierend „Du Mädchen!“ oder „Du Schwuchtel“ rutschen einem schnell mal über die Lippen, ohne dass man sich in das Opfer hineinversetzt. Die Referentin macht klar: „Jeder ist mal Täter, Opfer und Zuschauer. Die Frage ist, wie gehe ich damit um?“ Dazu werden die Handlungsstrategien erläutert und praktische Probleme diskutiert. Nach dem dreistündigen Workshop sind alle voll mit neuem Wissen und Erkenntnissen. „Gerade der Unterschied zwischen rechten Positionen und rechter Einstellung war mir nicht bewusst“, sagt beispielsweise Susanne Gramke vom JAK NRW in ihrem persönlichen Fazit. Auch Tilman Algermissen vom JAK Sachsen-Anhalt ist nachdenklich: „Mir haben die Erklärungen zur Menschenfeindlichkeit und ihrem Auftreten im Alltag deutlich gemacht, dass man manchmal Teil davon ist, obwohl man es gar nicht will.“

Was geht das uns an?

 Nach dem vormittäglichen Workshop hören die JAKies dann Robert Rathke vom JAK Niedersachsen zu. In seinem Vortrag geht es um die Berührungspunkte mit Rechtsextremeismus mit Bezug auf die Kriegsgräberstätten oder den Volkstrauertag. Zugleich diskutiert er das Problem, dass der Volksbund durch die konservative Art seines Gedenkens durchaus Gefahr läuft, ebenfalls oberflächlich ins rechte Spektrum eingeordnet zu werden.

 Darüber hinaus verwies Rathke darauf, dass immer wieder rechte Gruppierungen Kriegsgräberstätten insbesondere am Volkstrauertag für ihre politisch extreme Ideologie missbrauchen. An Geburtstagen von Kriegsverbrechern oder verschiedenen Gedenktagen für die Bombenopfer des Zweiten Weltkrieges praktizieren sie ebenfalls ihre Heldenverehrung und verneinen so die Verbrechen, die von der NS-Diktatur begangen wurden.

 Diese Bilder und die Erläuterungen machten den Jugendlichen deutlich, dass Rechtsextremismus im Volksbund auf jeden Fall ein wichtiges und vor allem aktuelles Thema ist. Deshalb wollen sie in den kommenden Monaten gemeinsam Handlungskonzepte entwickeln, die deutlich zeigen, dass die Jugendarbeitskreise sich klar gegen Extremismus und Menschenfeindlichkeit positionieren. Außerdem wollen sie ein Modul entwickeln, welches Jugendliche in Workcamps und bei JAK-Treffen über diese Themen aufklärt. Anhand des Kriegsgrabes soll deutlich werden, warum es auch heute noch so wichtig ist, sich für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen.

Jeder ist willkommen

 Nachdem die JAKies sich den ganzen Tag mit den ernsten Themen ihres Engagements befasst haben, gibt es am Abend dann doch noch eine bunte Fastnachts-Party und am Sonntagmorgen gehts sogar noch ins Schwimmbad. Die JAKies der verschiedenen Landesverbände sind am Ende des Wochenendes sehr motiviert. In den kommenden Monaten werden sie viel zu tun haben, die gesetzten Ziele gegen Rechtsextremismus zu erreichen. Die ersten Ergebnisse sollen auf dem Pfingstzelten in Lommel präsentiert werden.

Franziska Hammerl, Valeska Schimmelpfennig