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Menschen im Schwebezustand

Volksbund unterstützt neu eröffnete Ausstellung über Schicksale in der Ukraine

Mit Online-Führung und Gesprächsrunde eröffneten der Verlag Buchkunst Berlin und der Volksbund ihre gemeinsame virtuelle Fotoausstellung „In Limbo – Ukraine 2013-2021“. Aus München, Berlin und Kiew waren Fotograf, Kuratorenteam und eine Autorin zugeschaltet. Die mehr als 50 Zuschauer wurden wie bei einem echten Rundgang durch die drei virtuellen Ausstellungsräume geführt, die bis Ende März kostenfrei online zu besuchen sind.
 

Wenn auch nur am Bildschirm, berührten die meist sachlich gehaltenen, aber motivstarken Farbaufnahmen die Gäste der Vernissage: Sicherlich auch wegen der bedrohlichen Aktualität, vor allem aber durch ihre tiefgehenden Einblicke in eine Gesellschaft und ihre Menschen, die zwischen demokratischer Aufbruchstimmung und lähmenden Kriegszustand hin- und hergerissen wird.
 

Besuche im Land seit 2013

Der Münchner Dokumentarfotograf Florian Bachmeier besuchte seit den Maidan-Protesten 2013 immer wieder das Land. Er verfolgte die anschließenden Wahlen und Reformen im Land, aber auch die gesellschaftlichen Konfliktlinien mit der Besetzung der Krim und dem fortdauernden Krieg im Donbass.

Dabei machte er sich mit seiner Kamera beidseits der Front wie auch im ganzen Land ein eigenes Bild: genau und vielschichtig, feinfühlig, aber ungeschönt. Oft erzählen seine Bilder erst auf den zweiten Blick, aber dafür umso treffender, wie ein festgefahrener moderner Stellungskrieg den Alltag in den Kampfgebieten bestimmt. Sie zeigen auch, wie sich die Kriegsfolgen wie ein schwerer Schleier auf das ganze Land legen – auch dort, wo der Krieg zunächst einmal weit weg scheint.

Wie schon mit seiner Kamera, schilderte Florian Bachmeier nun auch bei der Eröffnung im Gespräch mit dem Verleger Thomas Gust ruhig, klar und knapp, was für seine Langzeitarbeit wichtig war: sich mit Zeit offen auf die Menschen und ihren Alltag einlassen und die Stadt- und Landschaftsbilder wirken zu lassen. So lege er die tieferen Spuren in den Gesichtern der Menschen oder in den Fassaden der Häuser offen. Die Schatten, Kanten und Risse hätten nicht erst dieser Krieg, sondern schon die harten Umbrüche nach dem Fall der Sowjetunion und in einem weiteren Sinne auch der deutsche Vernichtungskrieg und die stalinistischen Repressionen gezeichnet.
 

Aufbrüche, von Konflikten bedroht

Die Kiewer Autorin Kateryna Mishchenko, die auch einen Essay zum parallel erschienenen Fotobuch geschrieben hat, schilderte im Gespräch eindrücklich, mit welcher „Kraft von unten“ die Ukrainer auf dem Maidan – einem Traum gleich – ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen hätten, aber auch, wie schwer innere Konflikte und äußere Bedrohung nun auf diesen Aufbrüchen lasteten. Gerade die noch frischen Versuche, diese ambivalente Geschichte und ihre verschiedenen Opfergruppen offen zu erinnern, würden durch Polarisierung erschwert, wie Konflikte um Denkmalentfernungen und Umbenennungen zeigen.

Heike Dörrenbächer, Volksbund-Abteilungsleiterin und früher für eine Stiftung mehrere Jahre selbst in Kiew tätig, schlug in ihrem Grußwort auch den Bogen zur Volksbund-Arbeit: Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion mit seinen Millionen von Kriegstoten in allen postsowjetischen Ländern, stelle Deutschland heute in eine historische Verantwortung für die gesamte Region, um mit Partnern vor Ort die Geschichte aufzuarbeiten, den Angehörigen beizustehen und nach den Toten zu suchen. In der deutschen Öffentlichkeit sei wenig bekannt, dass die Ukraine – abgesehen von Belarus – gemessen auf die Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg die meisten Kriegstoten zu beklagen hatte. Am meisten gelitten hätten die jüdische und die Zivilbevölkerung, so Dörrenbächer.
 

Volksbund-Arbeit zeigt enge Bindung

Der Volksbund arbeitet in der Ukraine und in Russland ebenso wie im Baltikum, Belarus und sogar in Zentralasien mit internationalen Partnern zusammen und unterstützt seinerseits bei der Suche nach sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern in Deutschland. In internationalen Bildungsprojekten wie den Workcamps oder den PEACE LINE-Routen erfahren junge Menschen so von vermeintlich fernen Orten und fremden Biographien, die tatsächlich aber eng mit deutscher Geschichte verbunden sind.
 

Fotobuch und weiterer Termin

Am 27. Februar um 16 Uhr gibt es eine weitere virtuellen Führung (Zoom)Die Deutsche Osteuropa-Gesellschaft, der Internationale Bildungs- und Begegnungswerk Dortmund, die Stiftung Mahnmal für die ermordeten Juden Europas und das Journalisten-Netzwerk n-ost unterstützen als Partner das Rahmenprogramm. Weitere Gesprächsrunden sind geplant und werden demnächst veröffentlicht.

Im Verlag Buchkunst Berlin ist das Fotobuch „IN LIMBO“ mit den Fotografien von Florian Bachmeier erschienen (ausgenommen die Maidan-Bilder).

zum Fotobuch

Mehr lesen Sie unter ONLINE Führungen & Virtuelle Ausstellung IN LIMBO – UKRAINE 2013–2021 FLORIAN BACHMEIER
 

Matteo Schürenberg Referatsleiter Erinnerungskultur und Netzwerkarbeit im Hauptstadtbüro Berlin