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Sommer, Sonne, Kriegsgräber pflegen

Internationales Workcamp in Berlin

30 Grad im Schatten – tropische Tage in Berlin. Die meisten jungen Menschen zog es ins Freibad. Doch 40 Jugendliche aus zwölf Nationen hatten in ihren Ferien etwas anderes geplant. Als Gast der Bundeswehr und des Volksbundes pflegten sie für zwei Wochen die Gräber von Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft in Berlin. Wie bereits im vergangenen Jahr wohnte die Gruppe in der General-Steinhoff-Kaserne in Berlin-Gatow.


Zum ersten Mal fand der Arbeitseinsatz auf dem Friedhof Ruhleben statt. Ruhleben war der erste Friedhof, der vom Bezirksamt Charlottenburg Anfang der fünfziger Jahre geplant und angelegt wurde um der vielen Kriegstoten gerecht zu werden. Denn zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Kriegsopfer nur auf Notfriedhöfen vorläufig bestattet worden. Innerhalb von nur drei Wochen fanden im Frühjahr 1952 die Umbettungen statt. Der größte Teil der über 1 400 Toten kam in den Endkämpfen in Berlin im Frühjahr 1945 ums Leben. Aber auch Opfer der alliierten Bombenangriffe fanden hier ihre letzte Ruhe. So auch die 19 Menschen, die in den grausamen Bombennächten von 1943 starben und erst 1952 in den Trümmern einer Kegelbahn in Spandau gefunden wurden.


Bei ihrer Arbeit auf dem Friedhof Ruhleben konnten die Jugendlichen die Grausamkeit des Krieges eindringlich erfahren, denn jedes Grab zeigt eine andere Facette von Krieg und Gewalt. Hier liegen nicht nur gefallene Soldaten und zivile deutsche Kriegsopfer, sondern auch viele Zwangsarbeiter aus Tschechien, den Niederlanden, Polen, Jugoslawien, Rumänien und der ehemaligen Sowjetunion. 56 Zwangsarbeiter wurden allein aus den Trümmern der Mercedes-Benz-Werkstatt am Salzufer geborgen. Sie waren dort schutzlose Opfer des Bombenkrieges geworden, denn ihnen war als Zwangsarbeitern die Nutzung von Bunkern und Luftschutzkellern verboten


In Ruhleben konnten sich die Jugendlichen aber nicht nur mit den Folgen des Krieges auseinandersetzen, sondern auch mit unterschiedlichen Gedenkkulturen, denn in Ruhleben gibt es eine Abteilung für buddhistische Bestattungen. Dort hat etwa Jonny K., das junge Prügelopfer vom Alexanderplatz, seine letzte Ruhe gefunden.


„Damit schreckliche Kriege und Gewalt in Europa endgültig der Vergangenheit angehören, sind unsere Workcamps ein wichtiger Ort des gegenseitigen Kennen- und Verstehenlernens“, sagte Dr. Ingolf Wernicke, Landesgeschäftsführer des Volksbundes in Berlin. Im Rahmen des Berlin-Programms lernten die Jugendlichen auf einer Stadtrallye die Bundeshauptstadt kennen. Sie besuchten das Dokumentationszentrum zur NS-Zwangsarbeit in Schöneweide, die Eastside-Gallery, die Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße, das KZ Ravensbrück und Potsdam mit Sanssouci und Neuem Palais in Brandenburg. Ein besonderes Highlight war der „Berlin-Abend“. Hier stellten die Jugendlichen im Alter zwischen 16-22 Jahren  aus Weißrussland, Bulgarien, Frankreich, Belgien, Italien, Litauen, Rumänien, Russland, Ungarn, der Türkei, der Ukraine und Deutschland ein von ihnen erarbeitetes Programm sowie die Fotoaktion „Gesicht zeigen“ vor. Der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses Wolfgang Wieland war ebenfalls an diesem Tag in Gatow und war vom Engagement der jungen Menschen begeistert.


Das Workcamp hat die Jugendlichen wieder etwas näher gebracht, getreu des Volksbundmottos „Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für den Frieden“. Oder wie sagte es die junge Rumänin bei ihrer eindrucksvollen Rede auf dem Friedhof: „We would like to say thank you to Volksbund again for this opportunity not only to spend a great time and get to know new friends, but also for the knowledge about the World Wars - its reasons and results. We can't build our future without knowing our history!"


(Wir möchten dem Volksbund an dieser Stelle noch einmal für die Möglichkeit danken, hier nicht nur eine tolle Zeit zu verbringen, neue Freunde kennenzulernen, sondern auch für die Gelegenheit, mehr über die Weltkriege zu erfahren – die Gründe für das Ausbrechen und auch die Ergebnisse. Wir können unsere Zukunft nicht gestalten, wenn wir unsere Vergangenheit nicht kennen!“)


Christoph Blase