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Mont d’Huisnes: Lebensbilder in einem Gruftbau

80 Jahre nach der Landung in der Normandie am D-Day: Volksbund eröffnet Ausstellung mit digitalen „Schaufenstern“

Ein deutscher und ein US-Soldat aus Kanada, ein Ehepaar im Rentenalter, ein Schulkind, gerade 14 Jahre alt …  – sie alle geben dem Grauen des Zweiten Weltkrieges und seinen Folgen in Mont d’Huisnes jetzt ein Gesicht. Ihre Geschichte ist mit der deutschen Kriegsgräberstätte in der Normandie verbunden, auf der der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. heute mit einer Gedenkveranstaltung eine moderne, multimediale Ausstellung eröffnet.

 

11.956 Tote des Zweiten Weltkrieges sind in diesem Gruftbau bestattet – dem einzigen deutschen Mausoleum in Frankreich. Der Volksbund hat sie aus umliegenden Départements und von den britischen Kanalinseln hierher umgebettet. Die neue Ausstellung verknüpft an dieser Stelle die Geschichte des Krieges mit Biographien und der Architektur des Friedhofs und bleibt damit dem aktuellen Volksbund-Konzept treu.

 

Anfassen erwünscht

Neu ist die multimediale Umsetzung: Wer den Ausstellungsraum im Eingangsgebäude betritt, blickt auf sechs großformatige Monitore, drei „Schaufenster“ an jeder Seite. Anfassen ist erwünscht: Sie sind berührungssensibel und offenbaren Informationen sowohl zum Kriegsgeschehen in der Normandie als auch zu den Biographien.

Herzstück ist ein Film mit historischen Originalaufnahmen, der die „Operation Overlord“ – beginnend mit der Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 – in ihren verschiedenen Phasen darstellt. Der Film endet mit einer Bilanz: 250.000 Deutsche, 200.000 Alliierte und 17.000 französische Zivilisten starben bei den Kämpfen. Am Ende steht die kaum zu fassende Zahl von rund 60 Millionen Kriegstoten und die totale Niederlage Deutschlands. Damit wird auch der Bogen zu denen geschlagen, die hier bestattet sind.
 

Verhungert im Sommer 1945

Edmond Baton ist einer von ihnen: Der Gymnasiast aus Lauterbach an der Saar war im Februar vor der näher rückenden Front nach Bad Reichenhall evakuiert worden und wollte sich mit einem Schulkameraden nach Hause durchschlagen. Mit Hilfe von amerikanischen Soldaten schafften sie es bis nach Straßburg, wurden dort aber festgenommen und ins Internierungslager nach Poitiers gebracht. Dort verhungerte Edmond am 14. Juli 1945.

Ida und Georg Fries starben im selben Jahr am selben Ort – 66 und 73 Jahre alt. Sie hatten in Straßburg gelebt und waren verhaftet worden, als die Stadt von der US-Armee befreit wurde. Deutsche Staatsangehörige wurden ausgewiesen oder interniert, wenn sie die Stadt nicht verlassen hatten.
 

Kunstwerk aus Glas und Blei

Menschen wie sie hatte der Professor und Kunstmaler Albert Burkart im Blick, als er das monumentale Bleiglasfenster entwarf, das den Ausstellungsraum zum Mausoleum hin begrenzt. Kleine bunte Glassteine in den Ecken stehen jeweils für das Individuum, verstrickt in den Krieg.

Parteimitglied, überzeugter Soldat

Einer der bunten Steine steht für Otto Wilhelm Speer, Jahrgang 1919, aus Soldau in Ostpreußen. Er war stolz auf das Leistungsabzeichen der Hitlerjugend, trat der NSDAP bei, wurde Soldat. Als er 1940 verletzt wurde, wollte er – „wenn irgend möglich“ – kriegsverwendungsfähig geschrieben werden.

Als Flugzeugführer sicherte Speer später in Frankreich die Atlantikküste und wurde am D-Day, am 6. Juni 1944, abgeschossen. Er starb ein Jahr und vier Monate nach seiner Hochzeit. Die Geburt seiner Zwillinge erlebte er nicht mehr. Sie starben im Februar 1945 auf der Flucht nach Westen.

Die Särge von Opfern und Tätern

„Die Toten, die hier bestattet sind, gehören ganz unterschiedlichen Gruppen an“, sagt Danny Chahbouni. Er leitet beim Volksbund das Referat Informationsgrundlagen. Soldaten der Wehrmacht seien ebenso dabei wie SS-Angehörige, Zwangsarbeiter eines Außenlagers des KZs Neuengamme genauso wie zivile Angehörige der Organisation Todt – und Menschen wie Edmond Baton, die schlicht zwischen die Fronten geraten waren.

„Die Gruftkammern bewahren die Gebeine sowohl von Tätern als auch von Opfern – ein schwieriger Ort“, so Chahbouni. Darum haben sein Team und die Agentur „beier + wellach“ aus Berlin als Partner akribisch recherchiert, um so viele Details wie möglich zu den ausgewählten Biographien zu recherchieren – zum Beispiel auch zu Sturmbannführer Becker.

Hans Becker hatte im Sommer 1944 als Angehöriger der 1. SS-Panzer-Division „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ in Frankreich gekämpft und galt seit dem 18. August 1944 als vermisst. Er starb mit 33 Jahren vermutlich wenige Tage später. Seine Gebeine bettet der Volksbund im Mai 1961 nach Mont d’Huisnes um.
 

Erst bestattet, dann überführt

Schließlich lernen die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung Lawrence Samuel Gordon kennen, einen gebürtigen Kanadier im Dienst der US-Army, dessen Spähpanzer am 13. August 1944 bei einer Aufklärungsaktion in der Gemeinde Saint Martin l'Aiguillon zerstört wurde.

Sein Leichnam wurde zunächst nicht identifiziert – bis 2014 galt Gordon als „missing in action“. Durch einen Fehler wurde er zunächst in Mont d‘Huisnes als „unbekannter deutscher Soldat“ beigesetzt. 2014 wurde der Tote identifiziert und in seine Heimat Saskatchewan überführt.
 

Lehren ziehen für heute und morgen

Diese und vier weitere Biographien rückt der Volksbund exemplarisch in den Mittelpunkt. Er ordnet sie ein in das Kriegsgeschehen und zeigt verschiedene Perspektiven. „Wir wollen die Kriegsgräberstätte damit als Lernort ausbauen – vor allem für Jugendliche und junge Erwachsene“, erklärt Danny Chahbouni. Zum Nachdenken und zu Diskussionen anregen ist das Ziel – und auch zu Überlegungen, was die Lehren der Vergangenheit für unsere Gegenwart und Zukunft bedeuten.

„Phantastisches Design, ein sehr berührendes Erlebnis“, urteilt K. Rothbart, eine Angehörige von Otto Speer, die dabei war, als die Ausstellung wenige Tage vor der Eröffnung aufgebaut wurde.
 

Gedenktafel für ungarische Soldaten

Auch außerhalb des Eingangsgebäudes bietet der Volksbund Information: An ungarische Soldaten, die auf deutscher Seite kämpften, erinnert eine Gedenktafel, die ebenfalls heute eingeweiht wird. Sie hängt im Durchgang des Mausoleums. In einer unterirdischen Gruft direkt darunter sind in einem Gemeinschaftsgrab zivile Tote, auch Kinder bestattet.
 

Baugeschichte auf Glas

Zwei große Glastafeln rücken außerdem den Krieg in der Normandie, die Arbeit des Volksbundes sowie Entstehung und Entwicklung des Mausoleums in den Fokus. Entworfen hatte es der Architekt Johannes Krahn, der auch an der Sanierung der Frankfurter Paulskirche beteiligt war.  Am 14. September 1963 wurde die Kriegsgräberstätte eingeweiht.

Informationen bietet die Ausstellung nicht zuletzt direkt am Eingang mit einer Orientierungstafel sowie auf der Aussichtsplattform auf dem Dach des Mausoleums. Hier reicht der Blick bis zum Mont St.-Michel, dem Wahrzeichen der Region.

Am 24. Juli 1944 hatten die Kämpfe diese Gegend erreicht: Mit der „Operation Cobra“ trug die US-Armee entscheidend zum Durchbruch der deutschen Abwehrfront bei. Ein Teil der in Mont d’Huisnes zugebetteten Soldaten ist bei diesen Kämpfen 1944 gefallen.
 

Einen Artikel zur Sanierung finden Sie hier: Mont-de-Huisnes: Großprojekt auf der Zielgeraden.

Die Restaurierung des Fensters ist Thema im Jahresbericht 2023 (ab S. 18): Mediathek-Detailseite.

Die Kriegsgräberstätte selbst stellen wir hier vor: Kriegsgräberstätte: Mont d'Huisnes - Bau, Pflege und Instandsetzung.

Der Volksbund ist ...

... ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht und birgt, sie würdig bestattet, ihre Gräber in 46 Ländern pflegt und Angehörige betreut. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 30.000 junge Menschen.

Weil es kaum noch Zeitzeugen gibt, baut der Volksbund Kriegsgräberstätten wie Mont d'Huisnes zu Lernorten vor allem für die jüngeren Generationen aus, um die Erinnerung dauerhaft und zeitgemäß wachzuhalten. Dabei ist er auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen. 

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