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Umbettungen 2022: fast 3.000 Tote in Polen, ein Soldat in Montenegro

Volksbund-Teams exhumierten in 29 Ländern

Nach zwei Jahren Arbeit unter Pandemie-Auflagen hofften alle auf Rückkehr zur Normalität in der Umbettungssaison 2022. Doch wegen des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine musste das Volksbund-Team um Thomas Schock die Einsatzplanung im Februar komplett überarbeiten. Am Ende gehörten 12.112 exhumierte Kriegstote zur Bilanz (s. Übersicht ganz unten) – geplant waren 15.500. Der Chefumbetter schaut zurück:
 

Personal, das bisher in Russland oder in der Ukraine eingesetzt worden war, wurde zumindest temporär versetzt. Mitarbeiter und deren Familien, die die Ukraine verlassen wollten, wurden nach Deutschland gebracht. „Seit über 100 Jahren gibt es den Volksbund und es ist nicht das erste Mal, dass wir nach Gefallenen suchen, während zeitgleich frische Gräber ausgehoben werden”, sagt Thomas Schock.
 

Schwerpunkt verschoben

Der Volksbund verlegte für 2022 den Schwerpunkt der Arbeit wieder mehr von Ost- nach Westeuropa. Er arbeitete in 29 Ländern. Hier ein Blick auf die wichtigsten Einsatzländer, bei denen weiter Polen, Russland und die Ukraine am bedeutendsten sind:
 

Russland

Trotz aller Schwierigkeiten gingen die Umbettungsarbeiten weiter, wobei die deutschen Gruppenleiter bis auf ein Kernteam in anderen Ländern eingesetzt werden mussten. „Bewährt hat sich, dass wir unsere Partner im Land, die Ortskräfte, gut geschult und eingewiesen haben. Sie haben genehmigte Projekte abgearbeitet und zu weiteren recherchiert", sagt Thomas Schock. „Großer Dank gilt unserem Team im Büro Moskau, das viele Schwierigkeiten überwunden und die Arbeit am Laufen gehalten hat.”

 

Ukraine

Das Büro in Kiew war besetzt, die Büroleiterin hielt den Kernbetrieb aufrecht. Weil dort Firmen unter Volksbund-Anleitung arbeiten, waren Einsätze in der Zentral- und Westukraine zumindest eingeschränkt weiter möglich – was den Familien den Unterhalt sicherte. Beim Ausheben von Stellungen in der Nähe von Kiew bargen ukrainische Soldaten die Gebeine von Toten des Zweiten Weltgkrieges und übergaben sie dem Volksbund.
 

Polen

Professionell und „geräuschlos” liefen die Arbeiten mit den bewährten Firmen als Partnern in Polen. Im Frühjahr fand ein Umbettungstreffen mit allen maßgeblich Beteiligten statt. Der Volksbund stationierte ein Georadargerät. Mit seiner Hilfe ließen sich mehrere bisher vergeblich gesuchte Grablagen lokalisieren. 

Noch unter Corona–Auflagen fand im Frühjahr in Stare Czarnowo (früher Neumark) eine Gedenkveranstaltung mit Einbettung statt. In Gdansk (Danzig) ist die Kriegsgräberstätte inzwischen voll belegt, Vorarbeiten zu einer Erweiterung wurden getroffen.

Eine Erweiterung der Anlagen in Nadolice bei Breslau und Siemianowice (früher Laurahütte) ist ebenfalls notwendig, da der Volksbund insgesamt weit mehr Kriegstote geborgen hat als ursprünglich angenommen. Stetig übergeben Thomas Schock und sein Team Umbettungsprotokolle und Erkennungsmarken an das Team vom Gräbernachweis in Kassel, wo so viele Tote wie möglich anhand der Unterlagen noch identifiziert werden.

Besondere Projekte war die Exhumierung in Rhyn (früher Rhein) in Masuren auf einem Gefängnisfriedhof der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit. Und in Danzig ließ sich am Rande der Altstadt ein Massengrab mit Opfern der unmittelbaren Nachkriegszeit lokalisieren. Die Exhumierung ist für 2023 vorgesehen.
 

Ägypten

Unser Friedhofspfleger informierte uns über Gebeinfunde in der Wüste. Gemeinsam mit den ägyptischen Behörden wurden schließlich fünf Gefallene geborgen und in der Totenburg El Alamein zur letzten Ruhe beigesetzt.
 

Belarus / Weißrussland

Die Arbeiten gingen stetig weiter. Auf dem Gelände eines Kindergartens wurden in einem weiteren Arbeitsschritt erneut Gefallene exhumiert.
 

Bosnien-Herzegowina

Nach wie vor sind dort lediglich vorbereitende Erfassungsarbeiten möglich. Geplant Projeke mussten weiter warten.
 

Deutschland

Obwohl der Volksbund in der Bundesrepublik nicht allein für Exhumierungen zuständig ist, barg der Kollege in Brandenburg mit seinem Team erneut die Gebeine etlicher Toter. Umbetter des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen betten ebenfalls aus mehreren Grablagen um. Wenn Kriegstote lokalisiert werden, werden die Volksbund-Experten in vielen Fällen verständigt und suchen dann nach ihnen.
 

Estland

Unsere Ortskräfte bargen im Kreis Ida-Virumaa im Nordosten des Landes erneut Gefallene aus Feldgrablagen im Sumpfwald. In der Stadt Jöhvi in Ida-Virumaa waren Notausbettungen auf einem Militärgeländes nötig: Bei Baumaßnahmen waren Mitarbeiter auf einige längst als zerstört geltende Gräber gestoßen. Sehr kurz war die Zeit, in der befreundete Archäologen diese Gefallenen bargen.

Auf der Kriegsgräberstätte Tallin Maarjamäe (ehemals Reval-Marienberg) war noch im Dezember bei erstem Neuschnee eine Suche mittels Georadar möglich. Bei Erdarbeiten waren auch dort Gefallene gefunden worden. Unsere Untersuchungen ergaben, dass die Beisetzungsfläche größer als unsere derzeitige Friedhofsfläche ist. Darum überlegt der Volksbund derzeit mit seinen estnischen Partnern, wie nun zu verfahren ist (s. dazu: Kriegsgräberstätte Maarjamäe: Wie geht es in Tallinn weiter?).
 

Frankreich

Weniger umfangreiche Sucharbeiten übernehmen in Frankreich überwiegend unsere Friedhofspfleger. Wichtig ist hierbei der kurze Draht zu den lokalen Behörden. Er funktionierte beispielsweise bei bisher vergeblich gesuchten Feldgrablagen wie auch bei Zufallsfunden und Notausbettungen.

Eine Besonderheit war der Einsatz am Winterbergtunnel. Hier gelang es, mit einer privat finanzierten Horizontalbohrung den Tunnel zu lokalisieren. Auf dem Areal soll eine Kriegsgräberstätte entstehen (s. dazu Winterbergtunnel wird offizielle deutsche Kriegsgräberstätte).

Neue Wege der Kooperation mit dem britischen Gräberdienst schlug der Volksbund bei dem Bau des geplanten Kanalbauprojekt Seine-Nord ein. Hier wurde einvernehmlich festgelegt, dass die Commonwealth War Grave Commission (CWGC) die Sucharbeit auch für deutsche Gefallene übernimmt.
 

Georgien

Die Suche nach weitere Grablagen von Kriegsgefangenen ging weiter – mit Erfolg: Auf einem privaten Grundstück exhumierten die Experten. Ein Ort für einen zentralen Einbettungsfriedhof ist aber noch nicht gefunden.
 

Italien

Unsere Friedhofspfleger übernahmen Gebeine von Dritten und bargen selbstständig Kriegstote aus Feldgrablagen.
 

Kroatien

Die Exhumierungsarbeiten gingen auch hier weiter: Wie schon 2021 waren Karsthöhlen Einsatzorte – zwei Mal. Umfangreiche Sucharbeiten in der Region Vukovar blieben ohne Ergebnis.
 

Lettland

Dass der vordergründig so ferne Krieg  auf die baltischen Länder ausstrahlt, zeigt dieses Beispiel: Volksbund-Personal, das nach Lettland reisen und dort arbeiten sollte, wurde bedroht und durfte die Arbeiten nicht aufnehmen. Es ist sehr bedauerlich, aber seit vielen Jahren konnte der Volksbund erstmal nicht in Lettland exhumieren. Die Kriegsgräberstätten werden aber weiterhin gepflegt.
 

Litauen

Während der gesamten Umbettungssaison waren dort zwei bis drei Arbeitsgruppen eingesetzt. Die Grablagen sind überwiegend sehr klein und liegen weit verstreut. Auf den Kriegsgräberstätten Vilnius und Kaunas waren Umbettungen nötig: Auf beiden Anlagen hatten die Experten Anhaltspunkte für bisher nicht registrierte Beisetzungen aus dem Zweiten Weltkriegen. Da auf einem Soldatenfriedhof des Ersten Weltkrieges bereits Plünderer gegraben hatten, hatte es dafür eine Ausnahmegenehmigung gegeben.
 

Moldawien

Dieses Projekt brachte Lutz Müller noch zu Ende, bevor er die Verantwortung als Gruppenleiter nach vielen Jahren abgab: Die 2021 in Transnistrien exhumierten Gefallenen wurden überführt und eingebettet. In der Moldau betten die Experten im Laufe des Jahres noch Kriegstote aus einigen Feldgrablagen aus. Arbeiten in Transnistrien waren im vergangenen Jahr nicht möglich.
 

Montenegro

Nach der Information einer montenegrinischen Angehörigen aus Deutschland barg der Volksbund in den Bergen einen Gefallenen aus einem Feldgrab. Dank der Erkennungsmarke ließ sich das Schicksal dieses Toten klären. Für eine Grablage in Podgorica laufen Verhandlungen mit dem Grundeigentümer, die deutsche Botschaft unterstützt den Volksbund dabei.
 

Rumänien

Die Arbeiten im Land sind weiterhin sehr schwierig, vor allem da die Datenlage schlecht ist und Grablagen in vielen Fällen überbettet wurden. Die einheimische Ortskraft exhumierte dennoch weiter.
 

Slowakei

Die Slowakei war 2022 einer von zwei Schwerpunkten des neuen Umbettungsstrategie des Volksbundes. Dabei werden geographisch eng begrenzten Räumen alle verfügbaren Informationen zusammengetragen und systematisch gesucht und Ausgebettet.
 

Slowenien

Notbergungen im Frühjahr übernahmen einheimische Archäologen im Volksbund-Auftrag. Die geborgenen Gefallenen wurden in Celje eingebettet. Unser neuer Gruppenleiter erfasst die  Grablagen.  
 

Tschechien

Noch immer steht ein Kriegsgräberabkommen aus. 2022 waren nur vorbereitende Erfassungsarbeiten möglich. Der Gruppenleiter hat seine Tätigkeit aufgenommen und wir hoffen, dass unsere Arbeit bald wieder Fortschritte macht
 

Ungarn

Unsere Ortskraft durchforstet systematisch alle örtlichen Archive und sucht die entsprechenden Grablagen. Dank Meldungen, die in ungarischen Gemeindearchiven verzeichnet sind, war es möglich, schon umgebettete Gefallen nachträglich zu identifizieren.

Text: Thomas Schock
 

Umbettungszahlen 2022

Belarus / Weißrussland: 1.301
Deutschland: 326
Georgien: 21
Kroatien: 242
Estland: 159
Litauen: 189
Mazedonien: 12
Moldawien: 37
Montenegro: 1
Polen 2.757
Rumänien 80
Russland 5.839
Slowakei: 81
Slowenien: 31
Ukraine 972
Ungarn 59
sonstige (auch Westeuropa) 5

Gesamt: 12.112