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Massengrab von 1943: Die Toten im Eisloch

Volksbund-Arbeit in Russland: Umbetter bergen Gebeine aus mehreren Grablagen

Die Kriegsgräberstätten in der Russischen Föderation werden gepflegt, aber auch Kriegstote werden weiterhin geborgen, wie mehrere Beispiele zeigen. Dies geschieht auf den Arbeitsebenen. Hermann Krause, der Volksbund-Büroleiter in Moskau, berichtet.
 

„Die Arbeit in Russland geht weiter. Wir wussten seit mehreren Jahren, dass es dieses Massengrab in der Region Kursk gibt, aber der Eigentümer des Grundstücks weigerte sich, das Gelände zur Exhumierung freizugeben", sagt Denis Deryabkin, der Leiter des Umbettungsdienstes in der Russischen Föderation.
 

Plötzliche Zusage zur Freilegung

Das kleine Dorf Wypolsowo ist – wie viele Dörfer Russlands – vom Aussterben bedroht. Die Region in der Nähe von Kursk gehört nicht zu den wirtschaftsstarken Gebieten. Möglicherweise war dies der Grund, dass der Eigentümer des Grundstücks nach vielen Jahren seine ablehnende Position überdachte.

„Oftmals ändern die Menschen im Alter ihre Meinung – vielleicht auch, weil sie ihr Eigentum der nachfolgenden Generation übergeben wollen, ohne dass dort menschliche Überreste liegen", vermutet Deryabkin. So erhielt der Volksbund plötzlich die Zusage zur Freilegung des Massengrabes.
 

Eine der größten Schlachten

1943 musste sich die Wehrmacht nach der Niederlage in der Panzerschlacht von Kursk schnell zurückziehen. Sie gilt als eine der größten Schlachten des Zweiten Weltkrieges und war eine der letzten Großoffensiven des „Dritten Reiches“. Sie kostete 800.000 sowjetische und 200.000 deutsche Soldaten das Leben.

Die Rote Armee errang mit dem anschließenden Ausweichen der Wehrmacht einen strategischen Sieg. Der Wehrmacht war es deshalb nicht mehr möglich, hinter der Front einen Friedhof für die gefallenen Soldaten anzulegen.
 

Namen der Männer sind bekannt

In vielen russischen Dörfern gab es traditionell ein so genanntes Eisloch in der Erde. Dieses wurde im Sommer ausgehoben und im Winter mit Eis gefüllt. So diente es für Milch, Fleisch und andere Lebensmittel das ganze Jahr über als natürlicher Kühlschrank. In dieses Eisloch in Wypolsowo wurden in aller Eile die Leichen von 220 gefallenen deutschen Soldaten gelegt. Anschließend wurde das Massengrab mit Erde zugedeckt und planiert.

Denis Deryabkin: „Bei der Exhumierung stießen die Arbeiter auf eine breite Schicht menschlicher Überreste. Auch 40 Erkennungsmarken haben wir gefunden, die meisten von ihnen sind allerdings nicht mehr lesbar. Dennoch kennen wir die Namen der Männer.“ Der Grund: Trotz der eiligen Flucht war eine Namensliste der Gefallenen angefertigt worden.
 

Exhumierung im Volksbund-Auftrag

Durchgeführt wurden die Exhumierungsarbeiten von einer russischen Suchgruppe, die seit 15 Jahren in verschiedenen Regionen im Auftrag des Volksbundes tätig ist. Die aktuelle Situation hätte es nicht zugelassen, dass deutsche Mitarbeiter dort ausbetten.

Nach einer entsprechenden Dokumentation werden die Gebeine zunächst in einem Depot gelagert. Anschließend sollen sie auf dem deutschen Soldatenfriedhof Besedino bei Kursk beigesetzt werden. Wann das sein wird, ist im Moment noch unklar.

Geduld haben und beobachten

„Geduld haben und sorgsam beobachten – das ist Teil unserer Arbeit,“ erklärt Denis Deryabkin. Das gilt auch für die Region Königsberg, das heutige Kaliningrad. „Dort haben wir nach vielen Jahren des Wartens ebenfalls eine wichtige Genehmigung erhalten" – für die Kleinstadt Neukuhren (russisch: Pionerski), so der Umbettungsleiter .

Mitarbeiter des Volksbundes hatten dort bereits vor Jahrzehnten einen deutschen Wehrmachtsfriedhof freigelegt. Allerdings stand auf einem Teil des Friedhofs noch ein Haus. Dieses Haus wurde jetzt abgerissen.
 

Erkennungsmarken und Gegenstände

Der Grundstücksbesitzer wollte anscheinend nicht, dass ein neues Gebäude über den Gebeinen deutscher Soldaten errichtet wird. Deshalb erteilte er die notwendige Erlaubnis. Insgesamt konnten so sieben Gräber freigelegt werden – mit Erkennungsmarken und persönlichen Gegenständen der Gefallenen.

Skizze führt zu Gräbern

„Trotz aller politischen Schwierigkeiten geht die Arbeit weiter,“ stellt Denis Deryabkin fest und berichtet: „So haben wir auch weit draußen in der Steppe, mehr als 80 Kilometer von Wolgograd entfernt, nach jahrzehntelanger Suche eine Grablage mit den Gebeinen von 60 Toten gefunden.“

Die Skizze eines Friedhofs war dem Volksbund von Verwandten eines gefallenen Soldaten zugesandt worden. Mit Hilfe von Satellitenaufnahmen und dieser Skizze konnte man den ehemaligen Friedhof lokalisieren. „Da es schwierig ist, von offiziellen Stellen Exhumierungs-Genehmigungen zu erhalten“, so Deryabkin, „konzentrieren wir uns auf Privatgrundstücke.“
 

Hoch angesehen und respektiert

In der Russischen Föderation sind im Laufe des Zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit circa 3,8 Millionen deutsche Soldaten gestorben. Der Volksbund hat bisher über 555.000 Soldaten des Ersten und des Zweiten Weltkrieges allein dort exhumieren und beisetzen können. Diese Arbeit wird von der russischen Bevölkerung hoch angesehen und respektiert.

Text: Hermann Krause, Leiter des Volksbund-Büros in Moskau
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Die Gräbersuche Online umfasst inzwischen fast 5,4 Millionen Datensätze. Wer noch einen Angehörigen vermisst, kann dort recherchieren und gegebenenfalls einen Suchantrag stellen.

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