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Nathan Baskind: Ein eigenes Grab nach 80 Jahren

Volksbund identifiziert U.S.-Soldaten in der Normandie

Es ist eine Schicksalsklärung der besonderen Art: Aus einem Massengrab auf der deutschen Kriegsgräberstätte Marigny hat der Volksbund die Gebeine eines amerikanischen Soldaten geborgen und identifiziert. Oberleutnant Nathan B. Baskind starb während der Kämpfe nach dem D-Day in der Normandie, der sich jetzt zum 80. Mal jährt. Seine sterblichen Überreste werden Mitte Juni auf einem amerikanischen Soldatenfriedhof feierlich eingebettet. Die „Zeit“ widmet dieser Geschichte das Dossier in ihrer aktuellen Ausgabe.
 

Rund um die Veranstaltungen zum Volkstrauertag 2023 erreichte den Volksbund eine Anfrage aus den USA. Die Familie Baskind aus Pennsylvania hatte das jahrzehntelange Bemühen, die Gebeine von Nathan B. Baskind zu identifizieren und ihrem Verwandten damit ein eigenes Grab zu ermöglichen, nicht aufgegeben.

Baskind aus Pittsburgh, ein Offizier jüdischen Glaubens, war während der Landung der Alliierten als Angehöriger des „899. Tank Destroyer Battalions“ am Utah-Beach gelandet. Während der Schlacht um Cherbourg war der 28-Jährige schwer verwundet worden und kurz darauf in einem deutsch Militärlazarett verstorben. Gemeinsam mit deutschen Kriegstoten, die nicht mehr identifizierbar waren, wurde er im Chaos der Kämpfe in einem Massengrab, einem „Kameradengrab“ beigesetzt.
 

 

Die „Wand der Vermissten“

Im Jahr 1957 wurden die sterblichen Überreste von 24 deutschen Soldaten sowie die Baskinds aus dem Massengrab in Cherbourg – Block 29 des Stadtfriedhofes –von deutschen und amerikanischen Umbettern geborgen. Die verschiedenen Erkennungsmarken, die dabei gefunden wurden - auch die von Baskind - konnten dabei den Gebeinen nicht individuell zugeordnet werden. So wurden die Toten gemeinsam auf die deutsche Kriegsgräberstätte Marigny umgebettet.

In dieser Zeit gab es noch keine wissenschaftlichen Methoden, die Knochen einzelnen Personen zuzuordnen. Mittlerweile aber gibt es diverse DNA-Untersuchungsmethoden, mit denen präzise Messungen möglich sind. Die aufgrund der Erkennungsmarken bekannten Namen der Soldaten verewigte man auf einer Messingplatte am Grab. Baskinds Name wurde auf der amerikanischen Kriegsgräberstätte Coleville-sur-mer in die „Wall of the Missing“, die „Wand der Vermissten“, eingraviert.
 

DNA-Proben geben Gewissheit

Nachdem die Familie Baskind ihre Anfrage an den Volksbund gerichtet hatte, wurde die Abteilung Kriegsgräberdienst tätig. Leiter Arne Schrader, der auch für internationale Zusammenarbeit zuständig ist, sagte: „Wir fühlen uns für die Klärung der Schicksale aller gefallenen Soldaten in unserer Obhut verantwortlich, gleich ob deutscher oder amerikanischer Nationalität. Das gilt insbesondere, wenn Familien aktiv nachforschen.“

Zunächst sollten aber die Meinungen aller noch bekannten Familien eingeholt werden, ob das Öffnen des Kameradengrabes in Marigny und die Entnahme von DNA-Proben in deren Sinne wären. Dabei stieß der Volksbund auf eine österreichische Familie, deren Angehöriger ebenfalls hier bestattet wurde. Diese bat Schrader, auch nach dessen genetischen Spuren zu suchen und ihm gegebenenfalls ein eigenes Grab zu ermöglichen. „Leider ist es uns trotz großem Engagement und zahlreicher Tests, die die französische Rechtsmedizin finanzierte, nicht gelungen, die Gebeine dieses Kriegstoten zweifelsfrei zu identifizieren“, bedauert Arne Schrader.

Die Entnahme von DNA-Proben gehört aus Kostengründen und mangels Vergleichsproben nicht zum Standardrepertoire des Volksbundes. Dies war hier nur möglich, weil mit dem US-Anthropologen Professor Jordan Karsten von der Universität Wisconsin und der französischen DNA-Spezialistin Caroline Costedoat von der Universität Aix Marseille und deren Teams ausgewiesene Experten vor Ort waren und weil die amerikanischen und französischen Partner die Finanzierung der DNA-Abgleiche für beide Soldaten vollständig übernahmen.

USA, Frankreich und Israel unterstützen

Schrader und sein Team aus Freiwilligen des Umbettungsdienstes nahmen kurz vor Weihnachten 2023 die nötigen Untersuchungen mit der amerikanischen Lawrence Gordon Foundation, den französischen Partnern der ONAC VG und französischen Freiwilligen vor, mit denen der Volksbund bereits zuvor mehrfach erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Die DNA-Ergebnisse von Bode-Technology, die anschließend auch von der – zur amerikanischen Armee gehörenden – Suchbehörde DPAA überprüft und anerkannt wurden, ergaben zweifelsfrei, dass es sich um die Gebeine von Nathan B. Baskind handelt.

Die „Operation Benjamin“ organisierte vor der Information an den Volksbund eine Gedenkveranstaltung auf der Kriegsgräberstätte Marigny, bei der die Verwandten Baskinds an seinem Grab zusammenkamen, beteten und eine eindringliche Bitte an den Volksbund um Unterstützung formulierten. Die „Operation Benjamin“ ist eine amerikanisch-jüdische Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, gefallene amerikanische Soldaten jüdischen Glaubens, die unter christlichem Kreuz bestattet wurden, zu finden und ihnen ein Grab mit jüdischem Grabzeichen zu geben.

Die „Akte Baskind“ schließt sich

Nun werden die letzten beiden Kapitel der „Akte Baskind“ geschrieben. In dieser Woche hat der stellvertretende Vorsitzende des Volksbund-Landesverbandes Baden-Württemberg, Brigadegeneral a. D. Manfred Hofmeyer, als Vertreter des Präsidiums die sterbliche Überreste auf der U.S.-Militärbasis Landstuhl an die amerikanischen Streitkräften übergeben – mit militärischen Ehren, erwiesen durch das Luftwaffenausbildungsbataillon der Bundeswehr aus Germersheim. Diese bereiten eine feierliche Bestattung Baskinds im Anschluss an die Gedenkveranstaltungen zum D-Day vor.

80 Jahre nach der Landung der Alliierten und dem Beginn der Befreiung Europas vom nationalsozialistischen Terror wird Oberleutnant Nathan B. Baskind ein eigenes Grab nach jüdischem Ritual erhalten. Ohne die Identifizierung des aus Österreich stammenden deutschen Soldaten bleibt es jedoch leider ein unvollendeter Abschluss einer Geschichte, die vor 80 Jahren in der Normandie begann.
 

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Harald John Abteilungsleiter Öffentlichkeitsarbeit