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D-Day: Triumph der „freien Welt“ über den Totalitarismus

#volksbundhistory: Dr. Peter Lieb erinnert an die Landung der Alliierten in der Normandie vor 80 Jahren

Ein Tag, der in die Geschichtsbücher einging und der es mehrfach auf die Kinoleinwand schaffte: D-Day, der Beginn der „Operation Overlord“. Vom Ärmelkanal kommend eröffnete die westlichen Alliierten der Anti-Hitler-Koalition eine zweite Front gegen das Deutsche Reich. Der Tag, der Tausende Soldaten das Leben kostete, gilt als Anfang der Befreiung Europas vom nationalsozialistischen Terror (der Volksbund berichtet aktuell vom Gedenken in der Normandie, s.u.)
 

Am Morgen des 6. Juni 1944, ging das Inferno los: Hunderte alliierte Schiffe beschossen die deutschen Verteidigungsstellungen an der Küste der Normandie. Wenig später folgten Bomberströme, die ihre Last auf die Bunkeranlagen abwarfen.

Zwischen 6.30 Uhr und 7.45 Uhr landete schließlich die erste Welle mit Infanterie und Spezialpanzern an den fünf Landungsabschnitten: Utah (US 4th Infantry Division), Omaha (US 1st and 29th Infantry Divisions), Gold (britische 50th Division), Juno (kanadische 3rd Division) und Sword (britische 3rd Division).

Bereits in der Nacht waren am westlichen und östlichen Flügel der Landungssektoren zwei amerikanische (82nd und 101st) und eine britische (6th) Fallschirmjägerdivision gelandet und hatten für Verwirrung bei den Deutschen gesorgt.

Unter dem Hashtag #volksbundhistory berichten wir von historischen Ereignissen und liefern Hintergrundinformationen. Unser Autor heute: Dr. Peter Lieb. Er ist Referent für Militärgeschichte und Tradition im Bundesministerium der Verteidigung.

Akribische Vorbereitung

Der D-Day war die größte amphibische Landung der Geschichte. Viele Monate hatten die Alliierten unter dem Oberbefehl des US-Generals Dwight D. Eisenhower darauf hingearbeitet, um die vielen militärischen Unwägbarkeiten dieses anspruchsvollen Unternehmens zu minimieren.

Der Erfolg basierte letztlich auf minutiöser Planung, intensiver Ausbildung, meisterhafter Logistik, reibungsloser Zusammenarbeit der drei Teilstreitkräfte und der Leistungsbereitschaft der Landungstruppen.
 

Etwa 4.500 starben am ersten Tag

Hinzu kam eine drückende Überlegenheit an Menschen und Material. Bis zum Abend des 6. Juni waren mehr als 155.000 alliierte Soldaten in der Normandie gelandet.

Etwa 4.500 fielen an jenem Tag, allein etwa 2.000 am berüchtigten Omaha-Beach. Der 6. Juni 1944 war damit gemeinsam mit dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 der blutigste Tag des US-Militärs im Zweiten Weltkrieg.
 

Uneinheitliche Verteidigungsstrategie

Auf deutscher Seite standen den Alliierten an den Landungsabschnitten nur jeweils mehrere 100 Soldaten in den Bunkeranlagen gegenüber. Im Hinterland kamen noch mehrere 10.000 hinzu, die aber nicht alle in die Kämpfe am D-Day eingreifen konnten. Ein Problem war, dass sich die deutschen Verteidiger auf keine einheitliche Verteidigungskonzeption festlegen konnten.

Der einstige „Wüstenfuchs“, Generalfeldmarschall Erwin Rommel, glaubte den Gegner so nah der Küste wie möglich schlagen zu müssen. Aufgrund seiner Erfahrungen im Wüstenkrieg in Nordafrika von 1941 bis 1943 wusste er, dass ein freies Operieren der deutschen Panzerkräfte aufgrund der alliierten Luftherrschaft nicht möglich war.

Rommel setzte daher auf einen Ausbau der Bunkeranlagen und Befestigungen an den Küsten, den so genannten Atlantik-Wall. Dieser war ein beliebtes Motiv der NS-Propaganda, am 6. Juni 1944 bei weitem noch nicht fertiggestellt.
 

Weil Hitler vormittags schlief

Anders als Rommel wollten die meisten deutschen Generäle die Alliierten nicht bereits an der Küste bekämpfen, sondern sie erst anlanden lassen und nach ein paar Tagen eine große Panzerschlacht im Inneren Frankreichs schlagen. Dabei wollten sie die vermeintlich überlegene deutsche operative Führungskunst ausspielen.

Hitler selbst konnte und wollte sich nicht auf eines der beiden Konzepte festlegen, sondern entschied sich für einen faulen Kompromiss: Ein Teil der Panzer kam an die Küste, ein anderer Teil ins Hinterland. Letztere durften nur auf seinen persönlichen Befehl hin eingesetzt werden.

Da Hitler – wie fast jeden Tag – auch am 6. Juni 1944 den gesamten Vormittag schlief, wurden die Panzer erst in den Nachmittagsstunden freigegeben und erhielten aufgrund der alliierten Luftüberlegenheit auch bald den Befehl, nur mehr nachts zu marschieren. Wertvolle Stunden waren damit verstrichen.

Einschätzung im Wandel

Rückblickend betrachtet hatten die Deutschen ohnehin praktisch keine Chance, die gegnerische Landung abzuwehren. Für die Zeitgenossen hingegen war dieser alliierte Erfolg so nicht vorhersehbar. Alliierte wie Deutsche glaubten, dass der Ausgang der Landung offen sei und dass davon überdies die Entscheidung des gesamten Zweiten Weltkrieges abhing.

Nach 1945 wurde dieses Narrativ der Entscheidungsschlacht beziehungsweise des Wendepunkts des Zweiten Weltkrieges einige Jahrzehnte weitergesponnen. Der alliierte Anteil am Sieg über das Deutsche Reich und den Nationalsozialismus sollte damit gegenüber der Sowjetunion bewusst hervorgehoben werden.
 

Sieg der Anti-Hitler-Koalition

Die moderne Forschung ist sich hingegen einig, dass am 6. Juni 1944 der Krieg für das Deutsche Reich schon längst verloren war. Der D-Day und die anschließende Normandie-Schlacht („Operation Overlord”) waren gewiss ein wichtiger Schritt für die totale Niederlage des „Dritten Reichs“, müssen aber mit anderen wichtigen Ereignissen im Kontext gesehen werden – etwa mit der Schlacht um Moskau 1941, der Schlacht von Stalingrad 1942/43, der Atlantikschlacht 1943 und dem Luftkrieg über dem Deutschen Reich.

Gerade die letzten beiden Schlachten trugen übrigens entscheidend dazu bei, dass der D-Day überhaupt gelingen konnte. Im Juni 1944 konnten nämlich Kriegsmarine und Luftwaffe kaum in die Kämpfe eingreifen, da sie aufgrund von hohen Verluste in den Monaten zuvor schon sehr geschwächt waren und die Wehrmacht die Lücken nicht mehr auffüllen konnte.

Bei einer Gesamtschau wird sehr deutlich, dass das Deutsche Reich weder von den Alliierten noch von der Sowjetunion allein besiegt wurde. Es war vielmehr der Sieg der Koalition über Hitler-Deutschland.
 

Ende deutscher Besetzungsherrschaft

Auch wenn der D-Day für sich allein betrachtet keine militärische Entscheidungsschlacht gewesen sein mag, so hatte er eine politische Bedeutung weit über diesen Tag hinaus: Er markierte den Anfang vom Ende der deutschen Besatzungsherrschaft in Westeuropa.

Vom Erfolg des D-Days und der anschließenden Kämpfe in der Normandie hing ab, wie die Karte Europas nach Kriegsende gezeichnet werden würde. Hier entschied sich, ob West- und auch Mitteleuropa unter den Einfluss der westlichen Demokratien oder der kommunistischen Sowjetunion kommen sollten. Kaum ein anderer Tag in der Geschichte symbolisiert daher so sehr den Triumph der „freien Welt“ über den Totalitarismus wie jener 6. Juni 1944.

Text: Dr. Peter Lieb
 

Der Volksbund berichtet aktuell aus der Normandie:
- über die „Flamme der Erinnerung”, die vom 3. bis 5. Juni von Aachen über Brüssel bis nach Bayeux getragen wird: „Flamme der Erinnerung“ vereint Jugend zum D-Day in der Normandie
- über die Gedenkveranstaltung der Deutschen Botschaft auf der Kriegsgräberstätte La Cambe am 5. Juni
- über die Gedenkveranstaltung  der USA auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof Colleville-sur-Mer am 6. Juni, dem 80. Jahrestag des D-Day
- über die Einweihung der neuen Ausstellung auf der deutschen Kriegsgräberstätte Mont d'Huisnes am 7. Juni (ebenfalls mit Gedenkveranstaltung).

Ein Film der Deutschen Welle blickt in 17 Minuten zurück und zeigt das Gedenken in der Normandie heute, auch die deutsche Kriegsgräberstätte La Cambe.

Lesetipps

Ambrose, Stephen E.: D-Day: June 6, 1944: The Battle For The Normandy Beaches, New York 2016.

Beevor, Antony: D-Day: Die Schlacht um die Normandy, München 2011.

Hall, Tony: Operation "Overlord": Die Landung der Alliierten in der Normandie 1944, Stuttgart 2004.

Lieb, Peter: Unternehmen Overlord. Die Invasion in der Normandie und die Befreiung Westeuropas, München 2023.

Severloh, Hein: WN 62 - Erinnerungen an Omaha beach: Normandie, 6. Juni 1944, Duisburg 2023.

#volksbundhistory

Ob der Beginn einer Schlacht, ein Bombenangriff, ein Schiffsuntergang, ein Friedensschluss – mit dem Format #volksbundhistory möchte der Volksbund die Erinnerung an historische Ereignisse anschaulich vermitteln und dabei fachliche Expertise nutzen. Der Bezug zu Kriegsgräberstätten und zur Volksbund-Arbeit spielt dabei eine wichtige Rolle.

Die Beiträge werden sowohl von Historikern aus den eigenen Reihen als auch von Gastautoren stammen. Neben Jahres- und Gedenktagen sollen auch historische Persönlichkeiten und Kriegsbiographien vorgestellt werden. Darüber hinaus können Briefe, Dokumente oder Gegenstände aus dem Archiv ebenfalls Thema sein – jeweils eingebettet in den historischen Kontext.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. ist ein Verein, der seine Arbeit überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert.

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