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didacta 2016 – Volksbund präsentiert seine Bildungsarbeit

Podiumsgespräch mit NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann

Vom 16.-20.02.2016 informierten sich zahlreiche Besucherinnen und Besucher der diesjährigen didacta- die Bildungsmesse am Stand des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. über die aktuellen Angebote sowie Schwerpunkte der Jugend- und Bildungsarbeit. Der große Erfolg der Veranstaltung ist unter anderem der sehr guten Kooperation zwischen den Mitarbeitenden der verschiedenen Kompetenzcenter, dem Landesverband Nordrhein-Westfalen und dem BJAK zu verdanken.

An dieser Stelle soll besonders hervorgehoben werden, dass der stellvertretende BJAK-Sprecher Christoph Machens an drei Tagen am Informationsstand vertreten war.

Die Nachfrage zu den Angeboten der Bildungsarbeit des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. war sehr hoch. Einen besonderen Schwerpunkt bildeten die Angebote im Zusammenhang des diesjährigen Jahresthemas Flucht und Vertreibung. Interessierte konnten sich die Flyer zur neuen Ausstellung „geflohen, vertrieben- angekommen?!“ sowie eine entsprechende Handreichung zum Thema mitnehmen. Ebenso konnten sich Besucherinnen und Besucher über unsere internationalen Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten informieren. Myriam Koonings, Leiterin der JBS Lommel, stand drei Tage lang für die Fragen der Interessierten am Stand zur Verfügung. Als Dauerschwerpunkte wurden daneben die Themen Erster Weltkrieg und Kindersoldaten vorgestellt.

Besonderes Highlight im Rahmen der fünftägigen Messe war ein einstündiges Podiumsgespräch am 17.02.2016 auf der Aktionsfläche am Stand des Ministeriums für Schule und Weiterbildung zu folgendem Thema:

„Erinnern in der Migrationsgesellschaft- „Geflohen, Vertrieben- Angekommen?“.

Als Gesprächspartner konnten begrüßt werden: Schulministerin Sylvia Löhrmann, Dr. Nils Köhler, Leiter der Abteilung Gedenkkultur und Bildung, fünf Schülerinnen und Schüler des Neuen Gymnasiums Bochum mit ihrem Lehrer Sebastian Hierl, sowie fünf Schülerinnen und Schüler der Europaschule Dortmund mit ihrer Lehrerin Petra Parker und ihrem Lehrer Stefan Schneider Gossmann. Moderiert wurde die Veranstaltung von Verena Effgen, Bildungsreferentin im LV NRW, in Vertretung für Ulla Kux, Referatsleiterin Erinnerungskultur und Netzwerkarbeit.

Darüber hinaus hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. gerne die Gelegenheit wahrgenommen, parallel zum Podiumsgespräch Angebote seiner Jugend- und Bildungsarbeit an Stand des Ministeriums für Schule und Weiterbildung präsentieren zu dürfen.

 

Eine Zusammenfassung des Podiumsgespräches, am 17.02.2016, von 10.30-11.30 Uhr:

Verena Effgen stellt zunächst die beiden Schulen und ihre Projektarbeit zum Thema  Zwangsarbeit und Kriegsgefangene vor. Sowohl in Bochum als auch in Dortmund hatten beide Schulen die zentrale Gedenkstunde der Stadt zum Volkstrauertag mitgestaltet. Die Schülerinnen und Schüler beschreiben ihre Eindrücke beim Anblick der Gräber der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter als schockierend. In diesem Zusammenhang weisen sie darauf hin, dass Gefallenen als Opfer des Krieges gedacht werde, die Gräber von Zwangsarbeiterinnen und –arbeitern sowie Kriegsgefangenen indessen oftmals nicht einmal mit Namensinschriften oder Grabsteinen ausgestattet seien. Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit sei notwendig, um diese Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft sichtbar zu machen. Insbesondere Unternehmen seien hier gefordert, Zwangsarbeit im Rahmen der eigenen Geschichte aufzuarbeiten und im öffentlichen Diskurs präsent zu machen.

Schulministerin Sylvia Löhrmann betont, dass es bei der Auseinandersetzung mit Vergangenheit stets auch um die Frage nach dem Gegenwartsbezug gehe, darum, was getan werden müsse, um zu verhindern, dass die Vergangenheit sich wiederhole – dies umso mehr vor dem Hintergrund aktueller Parolen von einer vermeintlichen „Islamisierung des Abendlandes“.

Vonseiten der Schülerinnen und Schüler wird von der Herausforderung berichtet, den Volkstrauertag für junge Menschen zu gestalten. Das Erinnern an Zwangsarbeiterinnen und –arbeiter sowie Kriegsgefangene sei angesichts der Tatsache, dass auch sie zu unserer Vergangenheit gehörten, nicht zu vernachlässigen. Durch das Namensziegelprojekt würde diesen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft Name, Gesicht und ihre jeweilige Geschichte zurückgegeben.

Petra Parker, die pädagogische Leiterin der Europaschule, betont die Notwendigkeit im Rahmen von Gedenkveranstaltungen Gesicht zu zeigen, um die Präsenz von Personen aus der rechten Szene zu unterbinden. Aus dem Kreis der Schülerinnen und Schüler wird bestätigt, dass die Gestaltung von Gedenkveranstaltungen durch sie dazu beitrage, dieses Ziel zu erreichen.

Schulministerin Sylvia Löhrmann hebt hervor, dass der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. ein Verband sei, der die Friedensarbeit in den Vordergrund stelle. Mit dem Projekt Namensziegel werde namenlosen Toten der Name und ein Teil ihrer Würde zurückgegeben. Zwar hätten die Schülerinnen und Schüler nicht ihr Leben riskiert, wie etwa Menschen, die im Nationalsozialismus Widerstand geleistet hätten, gleichwohl hätten sie Gesicht gezeigt. Die Stärkung der politischen Bildung könne von den Schulen nicht allein geleistet werden, sie seien jedoch überaus wichtig, um junge Menschen flächendeckend zu erreichen.

Vonseiten der Schülerinnen und Schüler wird nochmals der Aktualitätsbezug der Auseinandersetzung mit Geschichte hervorgehoben. In diesem Zusammenhang geht es um die aktuelle Flüchtlingssituation. Waffenexporte werden von einer Schülerin als Fluchtursache aufgeführt und sie appelliert an die Politik, diesbezüglich tätig zu werden. Schulministerin Sylvia Löhrmann greift diese Aussage ruhig und sachlich auf und erläutert, dass es verschiedene Fluchtursachen gibt, so etwa auch ökonomische und ökologische. In diesen Gesamtkontext der Fluchtursachen gehörten auch die Rüstungsexporte. Wichtig sei, die aktuelle Flüchtlingssituation nicht gegen historische Phänomene von Krieg und Gewalterfahrung aufzuwiegen.

Ausgehend von der Diskussion um Fluchtursachen verweist Verena Effgen auf die Schulausstellung zum Jahresthema 2016 des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.: „Flucht und Vertreibung“, die unter dem Titel „vertrieben, geflohen, angekommen?!“ Aspekte der Gewaltmigration im 20. Und 21. Jahrhundert untersucht. Sie ist im Februar 2016 fertiggestellt worden und kann nun nebst pädagogischem Begleitmaterial von allen weiterführenden Schulen kostenlos gebucht werden. Dr. Nils Köhler führt aus, dass Kriegsgräberstätten als Ausgangspunkt der Bildungsangebote des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. in der ganzen Bundesrepublik zu finden sind. Geschichte und Politik seien demnach nicht allein im Berliner Bundestag auf dem Programm, sondern sie hätten Auswirkungen auf jede und jeden Einzelnen, mit der Konsequenz, dass auch jeder und jede Einzelne dazu aufgerufen sei, sich hier aktiv einzubringen. So greife die neue Schulausstellung Flucht in historischer wie aktueller Perspektive auf und thematisiere Krieg als nach wie vor aktuelle Herausforderung.

Vonseiten der Lehrer wird die Projektarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. als überaus positive Erfahrung beschrieben. Indem die Schule verlassen und außerschulische Lernorte „vor der Haustür“ besucht werden, werde eine  qualitativ hochwertige Bildungsarbeit geleistet. Sie habe die wichtige Bedeutung, Feindbildern vorzubeugen. Verena Effgen ergänzt die Funktion der Entlastung von Lehrpersonen, sowie die Verstetigung dieses besonderen Lernangebotes mit Hilfe der neuen Bildungspartnerschaft: „Gedenkstätte und Schule“.

Schulministerin Sylvia Löhrmann berichtet, dass es bei diesem seit 2014 in Nordrhein-Westfalen  bestehenden Angebot darum gehe, nicht nur einzelne Leuchtturmprojekte durchzuführen, sondern systematische Strukturen zu schaffen. Im Rahmen der Kooperation auf Landesebene gäbe es bereits 1000 Schulen, die sich in Bildungsprojekten engagierten. Die Jugendlichen nähmen dies sehr gern an. In diesem Zusammenhang wird auch auf die besondere Vernetzung mit dem Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten in NRW verwiesen. Die Bedeutung der Kooperation von Schule, NS-Gedenkstätten und Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. wird betont.

Dr. Nils Köhler unterstreicht, dass der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Partner für solche Schulprojekte sein will. Im gesamten Bundesgebiet existierten bereits Schulprojekte des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., in jedem Bundesland seien Bildungsreferentinnen und –referenten hierfür zuständig. Weiter erläutert er, dass es vier internationale Jugendbegegnungsstätten in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und auf Usedom gäbe, die in internationalen Teams pädagogische Programme an und mit Kriegsgräberstätten anbieten. Die JBS Lommel (Belgien) und Ysselsteyn (Niederlande) befinden sich in unmittelbarer Nähe zu Nordrhein-Westfalen. Auf den dortigen, großen Kriegsgräberstätten liegen nicht ausschließlich Soldaten begraben, sondern auch zahlreiche zivile Opfer, die besonders in den letzten Kriegsmonaten ums Leben gekommen sind. Darunter auch Frauen und Kinder. In den JBS liegen spannende Einzelbiografien für die Bildungsarbeit vor. Die kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem Land Nordrhein-Westfalen im Bildungsbereich begrüßt Dr. Nils Köhler dabei ausdrücklich.

Schulministerin Sylvia Löhrmann bestätigt, dass es gut und wichtig sei, den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. als Partner zu haben und fragt die Schülerinnen und Schüler nach ihren Erfahrungen mit der historisch politischen Bildung im Kontext von verschiedenen Migrationshintergründen. Diese antworten, dass es heute eine Selbstverständlichkeit sei, dass zahlreiche Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund haben. Eine Schülerin hebt hervor, dass Integration dabei niemals etwas Einseitiges, sondern grundsätzlich etwas Beidseitiges sei.

Vonseiten der Lehrpersonen wird ergänzt, dass viele Kulturen in interdisziplinären Fächern zusammen kämen. Auf die Frage der Schulministerin, welche Erfahrungen Schülerinnen und Schüler mit der Auseinandersetzung mit dem „3. Reich“ haben, berichten Anwesende über ihre persönlichen und familiären Erfahrungen, wobei Zeitzeugenberichte eine wichtige Rolle spielen.

Dies greift Verena Effgen auf und betont, dass durch das Versterben von Zeitzeugen Kriegsgräberstätten im Zusammenhang des dauerhaften Ruherechts weiter an Bedeutung gewinnen. Sie verweist auf den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. als anerkannten Träger der freien Jugendhilfe und politischen Erwachsenenbildung und lädt die Anwesenden ein, den Stand des Volksbundes auf der didacta zu besuchen.