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Was hat eine Baumscheibe mit der Jugendarbeit des Volksbundes zu tun?

Jahrestagung der Workcampleiter/-innen vom 04. - 06.02.2011 in der Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte Albert-Schweitzer in Niederbronn-les-Bains (Elsass)

Seit 2003 findet die Fortbildung und Austauschplattform der engagierten Ehrenamtlichen statt. Aus ganz Deutschland und darüber hinaus fand sich wieder eine bunte Gruppe zusammen: „Alte Hasen“ und Neueinsteiger, gemischt im Alter von 20 bis 57 aus fast allen Landesverbänden des Volksbundes hatten sich gegenseitig viel zu sagen. In diesem Jahr stand das Workcampleitertreffen ganz im Zeichen der historisch-politischen Bildung. Nach gegenseitigem Kennenlernen und Wiedersehen ging’s um Kern und Zukunft der Jugend- und Bildungsarbeit im Volksbund: „Die ehrenamtlichen Mitarbeiter/-innen sind als Akteure an der inhaltlichen Weiterentwicklung der Jugendarbeit beteiligt, sollen und müssen daher informiert sein“, unterstreicht Hans-Dieter Heine (Leiter Ref. Jugend- und Bildungsarbeit).

In Workshops rund um Methoden der praktischen Bildungsarbeit beschäftigen sich die Teilnehmer/-innen mit Einzelbiographien am konkreten Beispiel der Kriegsgräberstätte Niederbronn: Was wissen wir über den Menschen, der hier liegt? Gibt es Feldpostbriefe, Informationen von Angehörigen, Fotos…? Was können wir aus dem Geburts- und Sterbedatum schließen? Täter, Opfer, Mitläufer… welche konkreten geschichtlichen und biographischen Bezüge gibt es, wie interessiere ich Jugendliche für diese schwierige Thematik? Anhand einer Baumscheibe mit den entsprechenden Jahresringen und einem Granatsplitter an der Stelle des Zweiten Weltkrieges macht Bernard Klein (Leiter der JBS) deutlich, wie wichtig die Verortung ist: Konkrete Gegenstände, an denen unmittelbar klar wird, was hier passiert ist. und die Kriegsgräberstätte Niederbronn liegen in unmittelbarer Nähe zu zahlreichen historischen Stätten: die Gräben des Ersten Weltkrieges, die Denkmäler der Schlacht von Wörth, die Befestigungsanlagen der Maginot-Linie und die Gedenkstätte des ehemaligen KZ Struthof.

In der Dauerausstellung "Kriegsschicksale" stellt die JBS zwölf Einzelschicksale in ihrem historischen Kontext dar: Dazu zählen ein SS-Freiwilliger, daneben ein wegen Befehlsverweigerung Erschossener, ein Kriegsverbrecher, ein Hitlerjunge, ein Kriegsgefangener sowie die Zivilopfer der Bombardierungen… Joëlle Krieger (pädagogische Mitarbeiterin der JBS) stellt verschiedene pädagogische Herangehensweisen vor. In der Schreibwerkstatt versetzen sich Jugendliche mit fiktiven Briefen in die Situation von Soldaten, Kriegsgefangenen, KZ-Häftlingen oder Angehörigen. Das Hausarchiv, Fotos, Briefe und manchmal persönliche Gegenstände geben konkrete Einblicke. 

Die Gedanken sind frei…? Später blättern die erfahrenen Ehrenamtlichen in verschiedenen Besucherheften. An jeder deutschen Kriegsgräberstätte im Ausland liegen sie aus, Besucherinnen und Besucher können sich eintragen und Gedanken aufschreiben. Was schreiben Menschen an diesen symbolischen Orten? Man findet dort alles von „Nie wieder Krieg!“ über Kommentare von betroffenen Angehörigen und Überlegungen zu Formen des friedlichen Zusammenlebens bis hin zu rechtsextremen Äußerungen. Welche Gefahren oder Probleme ergeben sich aus dem Umgang mit diesen authentischen und unzensierten europäischen Meinungsquellen? In gewisser Weise sind die Besucherhefte ein Ausdruck zeitgenössischer Wahrnehmung der Geschichte. Anlässe zu vielfältigen Gruppendiskussionen entstehen unmittelbar.

Zuletzt wird ein aktuelles und besonders spannendes Thema angeschnitten: Eine genauere Überprüfung der Einzelbiographien auch am Beispiel der Kriegsgräberstätte Niederbronn weist - bei eindeutiger zahlenmäßiger Dominanz der Angehörigen deutscher Nationalität - auf eine Vielfalt der Herkunftsländer hin. Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich grundsätzliche pädagogische Fragestellungen. Sollen diese "Sonderbiographien" wegen ihrer Seltenheit besonders erwähnt werden? Sollten sie gerade wegen ihrer Marginalität zurückgestellt werden? Erhalten diese "nicht-deutschen" Schicksale einen besonderen Stellenwert bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund?

Neben viel Input und Austausch kommt natürlich auch der Spaß nicht zu kurz. Am Samstagabend bereiten junge Leute des internationalen Freiwilligendienstes traditionell gebackene Flammkuchen für die Seminarteilnehmer/-innen zu. In geselliger Runde wird das ein oder andere Spiel ausprobiert, das sich auch mit den jugendlichen Teilnehmer/-innen der Workcamps bewährt. Am Sonntag werden die Möglichkeiten des methodischen Transfers auf die Workcamporte diskutiert und die Entwicklung konkreter Materialien vorbesprochen. Mit französischen Lunchpaketen in der Tasche brechen dann alle wieder in die verschiedenen Himmelsrichtungen auf – in dem Wissen: 2012 sehen wir uns wieder!

Heidi Schöpfer (Bildungsreferentin)

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