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20. Juli 1944 - Aufstand des Gewissens

Prof. Dr. Schneider hält Gedenkrede zum Jahrestag des Hitler-Attentats

An den Grabdenkmalen *) der Generale Friedrich Olbricht und Hans Oster, die beide als Konsequenz Ihres Eintretens gegen Gewaltherrschaft und Willkür den Tod fanden, gedachte die Bundeswehr mit Vertretern der Stadt Dresden und des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge des mißglückten Staatsstreichs vom 20. Juli 1944.

Oberst Baumgärtner, der Kommandeur des Landeskommandos Sachsen, betonte die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des Staatsstreichs, als eines sinnstiftenden Ereignisses der deutschen Geschichte. Dazu gehört, dass die Wertung und Würdigung des Attentats und der Motive der Akteure keineswegs von Anbeginn eine einheitlich Positive war: vielmehr galten Stauffenberg und seine Mitverschworenen noch in den 50er Jahren als "Verräter". Doch schon seit langem gilt das Attentat als jener "Aufstand des Gewissens", als das es Generalmajor Henning von Tresckow in einem Brief an Stauffenberg charakterisierte: "Das Attentat muss erfolgen ... Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung den entscheidenden Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig." 

Das Attentat bietet damit ein überzeitliches Lehrstück für den Stellenwert des selbstlosen Einsatzes für das Gemeinwesen, für Recht und Gerechtigkeit und gegen Willkür und Gewaltherrschaft: Zivilcourage ist zeitlos!

Die Gedenkansprache hielt der Landesvorsitzende des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge Landesverband Sachsen: Prof. Dr. Günther Schneider. Er ordnet das Geschehen nach juristischen und sittlich-moralischen Kriterien ein, vor allem unterstrich er den dauerhaften Vorbildcharaker der Tat und die traditionsstiftende Bedeutung des 20. Juli 1944 als Teil der deutschen Militärgeschichte - auch für die Bundeswehr als Armee im demokratischen Rechtsstaat.

Sein Fazit lautet [Zitat]:

Wir brauchen Loyalität.

Loyalität ist keine einseitige Wahrnehmung des Gehorsams des Untergebenen. Loyalität erfordert die wechselseitige Befassung mit dem Argument des jeweiligen Gegenüber. Loyalität verlangt Respekt mit dem Anderen. Stauffenberg schrieb am 6. Feb. 1939 an den Generalmajor von Sodenstern: „Der Soldat will von Männern geführt sein, deren Verhalten ihm Achtung abzwingt.“ [HOFFMANN, Peter: ... Stauffenberg und seine Brüder. Stuttgart (2) 1992, S. 179].

Ein jeder Vorgesetzter vom Gruppenführer bis zum General und nicht zuletzt der mit staatlicher Führungsverantwortung betraute Politiker frage sich, ob er diesem Postulat gerecht wird.

Wir brauchen das offene Wort.

Es verhilft uns nicht weiter, wenn wir unser Handeln unter die alleinige Prämisse der Karriere stellen. Dies schadet. Dies lässt den Menschen abstumpfen und letztlich in sich zurückziehen.

Und wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, in dem derjenige keinen Schaden nimmt, der redlich und aufrichtig das offene Wort führt.

Dies - und viel mehr als nur dies - lehren uns die Vorbilder des 20. Juli 1944. Wir tun gut daran, uns ihre Lage zu vergegenwärtigen, ihre Motive nachzuvollziehen und ihre Lebensleistung mit der Erkenntnis zu bewerten, die bleibenden Wert hat:

Die Würde des Menschen kann nur unter der Herrschaft des Rechts wirksam geschützt werden. Dies ist das wichtigste Vermächtnis des 20. Juli 1944.

(Den ungekürzten Redetext finden Sie nachstehend)


 

Gedenkrede zum 20. Juli 1944 auf dem Nordfriedhof in Dresden (ehem. Garnisonsfriedhof)

I.

Es gibt Tage, die brennen sich ein in das Bewusstsein einer Nation. Dies gilt überall. Ich erinnere an den französischen Nationalfeiertag oder an den amerikanischen Unabhängigkeitstag. Ich erinnere an den 9. November, der für uns Deutsche in mehrerlei Hinsicht große Bedeutung hat, oder an den Tag der Deutschen Einheit unseres Vaterlandes.

Ereignisse werden von Zeitdaten markiert. Beispielhaft sei Frankreich genannte, das am 14. Juli (fête nationale) an den Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 erinnert, und an das 1790 stattgefundene Föderationsfest (Fête de la Fédération), das sich seinerseits auf den Volksaufstand im Vorjahr bezog. Die Vereinigten Staaten erinnern an die Ratifizierung der Unabhängigkeitserklärung am 4. Juli 1776, in der erstmalig in einem offiziellen Dokument von den "Vereinigten Staaten von Amerika" die Rede ist.

II.

Der 20. Juli ist ebenfalls ein Tag, der im Bewusstsein der Deutschen steht oder stehen sollte. Für Deutschland als Nation nimmt er zweifellos eine herausragende Stellung ein. Er ist gerade auch für den Einzelnen bedeutsam. Heute erscheint der 20. Juli in seiner historischen Dimension als ein Funken der Hoffnung und des Lichts, auch des Anstands - und stammt in seiner Bedeutung doch aus einer Zeit, in der Deutschland unter der Herrschaft des Verbrechens stand und von ihm Terror und unzähliges Leid ausgingen.

Bekanntlich[1] ist der von Claus Schenk Graf von Stauffenberg unternommene Anschlag auf Adolf Hitler gescheitert. Von Stauffenberg hatte als neu ernannter "Chef des Stabes" beim "Befehlshaber des Ersatzheeres und Chef der Heeresrüstung" regelmäßigen Zugang zu den Lagebesprechungen Hitlers. In den Mittagsstunden des 20. Juli 1944 stellte er seine Aktentasche in der Nähe Adolf Hitlers ab, in der er unmittelbar zuvor eine Bombe scharfgemacht hatte. Unter dem Vorwand, ein wichtiges Telefonat führen zu müssen, verließ er den Raum, eine Baracke der Wolfsschanze, dem Führerhauptquartier in Ostpreußen. Wenige Minuten später kam es zur Explosion, bei der vier der vierundzwanzig Anwesenden getötet wurden. Hitler selbst hat das Attentat mit leichten Verletzungen überlebt.

Mit dem Fehlschlag des Attentats scheiterte auch der darauf beruhende Plan zum Staatsstreich, der allgemein unter dem Namen "Operation Walküre" bekannt geworden ist und dem letztlich eine jahrelange Vorgeschichte und Vorbereitung militärischer und ziviler Regimegegner zu Grunde lagen.

Die Antwort des Regimes kannte keine Gnade. Stauffenberg und 4 seiner engsten Mitverschwörer wurden noch in der Nacht zum 21.07.1944 erschossen[2]. Mit der so genannten "Sippenhaft" wurden Ehefrauen eingesperrt, Mütter von ihren Kindern getrennt und Familien auseinandergerissen. Mehr als 5.000 Personen wurden festgenommen.

Rund 200 Personen wurden im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 hingerichtet, die meisten in der Strafanstalt Plötzensee. Über die Rolle der Justiz gibt es zahlreiche Aufzeichnungen und Berichte. In über 50 Prozessen vor dem Volksgerichtshof verkündeten furchtbare Juristen zahlreiche Todesurteile, die im Ergebnis in der Regel bereits vor Prozessbeginn feststanden. Die Verfahren erfolgten insgesamt unter Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze. Der Volksgerichtshof hat letztlich Justizterror ausgeübt[3]. In besonderer Weise kam dies unter dem im August 1942 berufenen Präsidenten Roland Freisler zum Ausdruck, dessen Handeln von Fanatismus und Demütigungen bestimmt war.

Das alles hat sich vor nun 73 Jahren zugetragen - ein Zeitraum, der weniger als ein Menschenleben umfasst. Geschichtlich ist dies uns nah - so nah, als wäre es gestern geschehen.

 

III.

Die herausragende Bedeutung des 20. Juli 1944 für Deutschland hat sich uns Deutschen spät erschlossen. Unmittelbar nach Kriegsende sah eine Reihe von Deutschen die Beteiligten vom 20. Juli 1944 als Verräter an. Der staatliche Umgang mit den Überlebenden und mit Angehörigen des Widerstandes in der unmittelbaren Nachkriegszeit zeigte eine Haltung, die oft ohne Einsicht blieb. Überlebende und Angehörige des Widerstands mussten lange um Anerkennung und Entschädigung ringen.

Erst in den 1950er Jahren setzte langsam ein Bewusstseinswandel über die moralische, ethische und letztlich auch politische sowie gesellschaftspolitische Bedeutung des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 ein.

Johannes Tuchel[4], der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, führt hierzu aus:

"Heute, über 70 Jahre nach dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944, ist die Erinnerung an diese Ereignisse und ihre Akteurinnen und Akteure fester Bestandteil der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Er erinnert uns daran, dass es auch unter den Bedingungen der totalitären Diktatur des Nationalsozialismus möglich war, sich eben nicht widerspruchslos anzupassen, sondern seine Handlungsspielräume zu nutzen und sich konsequent der verbrecherischen Diktatur entgegenzustellen."

Diese Feststellung hat sich in der Nachkriegszeit unter politischer Führung herausgebildet. Und sie hat sich in den anschließenden Jahren verfestigt:

Konrad Adenauer hat in seiner Rede aus Anlass der Gedenkfeierstunde in Bad Godesberg am 20. Juli 1954 ausgeführt[5]:

"Unsere tiefen Gefühle gelten in erster Linie den Angehörigen der Opfer … Sie sind Vorbild dafür, dass über allem in der Welt steht: Recht und Gerechtigkeit".

30 Jahre nach dem fehlgeschlagenen Attentat hat Helmut Schmidt den 20. Juli so charakterisiert[6]:

"Der heutige Tag … sollte vielmehr ein Tag des Stolzes sein, des Stolzes auf das Vorbild, das uns vor 30 Jahren gegeben worden ist. Vor allem ist er ein Tag, der uns erinnern muß an unsere moralische Grundpflicht als Staatsbürger."

Helmut Kohl hat zum 50. Jahrestag erklärt[7]:

"Menschliche Größe und unvergleichliche Würde gewinnt Widerstand vor allem dort, wo er als freie Entscheidung ein Aufstand des Gewissens ist. Dies gilt ganz gewiss für die Männer und Frauen des 20. Juli. Sie handelten nicht auf Weisung. Es gab keine Massenbewegung, von der sie sich hätten mitreißen lassen können. Niemand nahm ihnen den Entschluss zum existentiellen Wagnis ab."

 

IV. Gewissensentscheidung:

Dieser letztgenannte Hinweis auf die getroffene Gewissensentscheidung charakterisiert den persönlichen Kern der Gruppe um von Stauffenberg. Es gilt als historisch gesichert[8], dass bereits 1938 konkrete Umsturzvorbereitungen bestanden, in die bereits einige der später am 20. Juli 1944 beteiligten Personen eingebunden waren. Von Stauffenberg selbst zählte anfangs nicht zu den ausgesprochenen Gegnern des NS-Regimes. Die Erkenntnis, dass nur ein militärischer Umsturz das NS-Regime würde beseitigen können, reifte in ihm wohl Ende der 1930er Jahre, wohl im Zuge seiner Mitgliedschaft im Generalstab des Heeres, in dem er tieferen Einblick in die organisierte Brutalität der NS-Machthaber gewann. Zum aktiven Widerstand gehörte er wohl seit Mitte 1943[9].

Von Stauffenberg und seine Mitstreiter haben mit dem Attentat und dem Versuch des Staatsstreichs eine Gewissensentscheidung getroffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts namentlich zu Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz, nach dem niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf, ist als Gewissensentscheidung

"jede ernste sittliche, d.h. an den Kategorien von 'Gut' und 'Böse' orientierte Entscheidung anzusehen, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte."[10]

Nach diesen Maßstäben stellt sich der am 20. Juli 1944 unternommene Umsturzversuch im besten Sinne als Gewissensentscheidung dar. Von Stauffenberg selbst werden die Worte zugeschrieben[11]:

"Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird."

Die Akteure des 20. Juli 1944 haben in voller Erkenntnis der im Fall ihres Scheiterns drohenden Konsequenzen gehandelt, in Ansehung des drohenden Todes. Es ist kaum zu ermessen, in welcher Lage sich ein Mensch angesichts dieser Ausgangssituation befinden muss.

V. Herrschaft des Rechts - Wiederstandsrecht:

Das wesentliche ethische Motiv der Männer und Frauen des 20. Juli 1944 lag in dem Versuch, die Herrschaft des Rechts herzustellen und damit die Herrschaft des Verbrechens zu beseitigen. Darin lag ein Aufstand des Gewissens. Dies verdient Respekt, Achtung und Wahrung des Andenkens. Nicht zuletzt gebietet dies Demut.

Die Würde jedes einzelnen Menschen ist ein unveräußerlicher Wert. Sie ist nicht verhandelbar und sie lässt sich nicht durch Gesetz einschränken. Sie ist ein absoluter Wert. Deshalb ist in Art. 1 Abs. 1 GG, der 5 Jahre nach dem 20. Juli 1944 in Kraft trat, ausgeführt:

"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

Jeder Einzelne von uns, jedes Mitglied unserer Gesellschaft, jede Partei und insgesamt der Staat hat diese ethische Grundlage bedingungslos zu respektieren. Das Recht hütet diesen auf die Individualität und Integrität des einzelnen Menschen ausgerichteten Ausgangspunkt. Politisches Handeln muss die Herrschaft des Rechts respektieren und befolgen. Darin liegt das wesentliche Vermächtnis des 20. Juli[12]. Rechtsstaat und Demokratie gehören zusammen.

 

VI. Auswirkungen auf die Bundeswehr:

Die Lage, in der sich die Männer und Frauen des 20. Juli 1944 befanden, ist als extreme Ausnahmesituation zu charakterisieren. Von Stauffenberg und seine soldatischen Mitstreiter hatten den Eid auf den Führer geleistet. Sie standen in der militärischen Tradition des absoluten Gehorsams. Und doch haben sie die Erkenntnis gewonnen, dass ihre Gehorsamsbindung begrenzt ist. Soldatischer Gehorsam ist unbedingt zu verlangen. Er ist nicht zu relativieren. Und doch findet er seine Grenze, wenn die Herrschaft des Rechts beseitigt werden soll.

Helmut Kohl hat dies am 20. Juli 1994 so ausgedrückt:

"Wie kann jemand sein Vaterland lieben und gleichzeitig mitansehen, wie es von Verbrechern zugrunde gerichtet wird? vielleicht war es diese Frage, die Generaloberst Ludwig Beck bewegte, als er einmal tief erschrocken über Hitler notierte: 'dieser Mensch hat ja gar kein Vaterland!'".

Man muss sich die Ausgangslage vor dem Juli 1944 vorstellen: Angehörige der Wehrmacht, die dem Führer qua Eid direkt verpflichtet waren, haben sich unter Einsatz ihres Lebens gegen das NS-Regime gestellt. Motiv und Handlung haben einen bleibenden, einen übergreifenden Wert.

Unter diesem Eindruck steht die derzeit erörterte Frage nach dem Verhältnis von Wehrmacht und Bundeswehr. Hierzu hat Christian Trull, Generalmajor a.D., kürzlich[13] in der FAZ angemerkt:

"Die Bundeswehr hat sich seit ihrer Gründung erfolgreich bemüht, das Bild der Wehrmacht zu differenzieren. Aber dass sie ein Teil ihrer eigenen Geschichte ist, kann nur der leugnen, der nicht weiß, wer die Bundeswehr aufgebaut hat."

Mit Trull bin ich der Ansicht, dass das Verhältnis der Wehrmacht zur Bundeswehr differenziert beurteilt werden muss: Viele um von Stauffenberg und dieser selbst waren keine "geborenen" Regimegegner. Aber sie waren doch Persönlichkeiten, die, gemessen an ihrer Situation, Herausragendes geleistet haben. Ich nenne hier nur: Generaloberst Beck, Generalmajor von Tresckow, den Obersten Ritter Mertz von Quirnheim oder den Oberleutnant v. Haeften – sie alle bezahlten ihre aufrechte Entschlossenheit mit dem Leben.

Die Innere Führung der Bundeswehr beruht auf den Namen Hans Speidel, Adolf Heusinger, Johann Adolf Graf von Kielmansegg, Ulrich de Maizière und Wolf Graf von Baudissin. Ihre - gerade Ihrer auch unter der Wehrmacht gezogenen - Erkenntnisse haben wesentlich zu dem beigetragen, was die Bundeswehr heute verkörpert:

  1. Integration in Staat und Gesellschaft,
  2. das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform,
  3. die ethische, rechtliche und politische Legitimation des Auftrages,
  4. die Verwirklichung wesentlicher staatlicher und gesellschaftlicher Werte in den Streitkräften,
  5. Grenzen für Befehl und Gehorsam oder
  6. die Anwendung des Prinzips „Führen mit Auftrag“.

 

 Mit den Worten des früheren Verteidigungsministers Volker Rühe möchte ich schließen:

"Die Wehrmacht als Institution kann keine Tradition begründen, einzelne Soldaten, die tapfer und anständig gekämpft haben, aber sehr wohl."

Wir tun heute gut daran, die Lehre aus dem, was zum 20. Juli 1944 geführt hat, mit Bedacht und Überlegung zu ziehen.

 

Wir brauchen Loyalität.

Loyalität ist keine einseitige Wahrnehmung des Gehorsams des Untergebenen. Loyalität erfordert die wechselseitige Befassung mit dem Argument des jeweiligen Gegenüber. Loyalität verlangt Respekt mit dem Anderen. Stauffenberg schrieb am 6. Feb. 1939 an den Generalmajor von Sodenstern:

„Der Soldat will von Männern geführt sein, deren Verhalten ihm Achtung abzwingt.“ [HOFFMANN, Peter: ... Stauffenberg und seine Brüder. Stuttgart (2) 1992, S. 179]

Ein jeder Vorgesetzter vom Gruppenführer bis zum General und nicht zuletzt dem mit staatlicher Führungsverantwortung betrauten Politiker frage sich, ob er diesem Postulat gerecht wird.

Wir brauchen das offene Wort.

Es verhilft uns nicht weiter, wenn wir unser Handeln unter die alleinige Prämisse der Karriere stellen. Dies schadet. Dies lässt den Menschen abstumpfen und letztlich in sich zurückziehen.

Und wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, in dem derjenige keinen Schaden nimmt, der redlich und aufrichtig das offene Wort führt.

Dies - und viel mehr als nur dies - lehren uns die Vorbilder des 20. Juli 1944. Wir tun gut daran, uns ihre Lage zu vergegenwärtigen, ihre Motive nachzuvollziehen und ihre Lebensleistung mit der Erkenntnis zu bewerten, die bleibenden Wert hat:

Die Würde des Menschen kann nur unter der Herrschaft des Rechts wirksam geschützt werden. Dies ist das wichtigste Vermächtnis des 20. Juli 1944.

 


[1]           Zum Nachfolgenden vgl. Attentat auf Hitler  - Stauffenberg und mehr, hrsg. von Keyserlingk/Pieken/Rigg, militärhistorisches Museum der Bundeswehr, Dresden, 2014; ferner Bundeszentrale für politische Bildung (http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/141288/20-juli-1944-attentat-auf-adolf-hitler-20-07-2012).

[2]           Keyserlingk/Pieken/Rogg (Fn. 1), S. 177 ff. m.w.N.

[3]           Es ging um kurze Verfahren; eine freie Wahl des Verteidigers bestand nicht; der Angeklagte musste sich die Person des Verteidigers vom Vorsitzenden genehmigen lassen; Kenntnis von den Anklagevorwürfen erhielt der Angeklagte erst unmittelbar vor der Hauptverhandlung (zum Ganzen vgl. Art. III Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Strafrechts und des Strafverfahrens vom 24.04.1934 (RGBl. I 1934, S. 341) und Gesetz vom 18.04.1936 (RGBl. I 1936, S. 369).

[4]           Johannes Tuchel, Zwischen Diffamierung und Anerkennung: Zum Umgang mit dem 20. Juli 1944 in der frühen Bundesrepublik (vgl. www.bpb.de/apuz/186870/der-20-juli-1944-in-der-fruehen-bundesrepublik).

[6]           Vgl. Presse-und Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin vom 23.07.1974, Nr. 89/S. 885.

[8]           hierzu und zu den Begleitumständen vgl. Keyserlink in: Keyserlingk/Pieken/Rogg (Fn. 1), S. 13 ff. m.w.N.

[9]           Zum Ganzen Keyserlingk/Pieken/Rogg (Fn. 1), S. 152 ff.

[10]         BVerfG, Beschluss vom 20.12.1960 - 1 BvL 21/60 - BVerfGE 12, 45.

[11]         Zitiert nach Keyserlingk/Pieken/Rogg (Fn. 1), S. 152.

[12]         Helmut Kohl, Bulletin der Bundesregierung (Fn. 7).

[13]         Interview mit Christian Trull, FAZ vom 27.06.2017, Feuilleton, S.

[14]         HOFFMANN, Peter: ... Stauffenberg und seine Brüder. Stuttgart (2) 1992, S. 179.

*) Grabdenkmal, da hier keine Gebeine ruhen [κενοτάφιον „leeres Grab“; aus κενός „leer“ und τάφος „Grab“ auch Scheingrab]. Die sterblichen Überreste der standrechtlich Erschossenen: Graf Stauffenberg, Beck, Olbricht und v. Haeften wurden in der Nacht vom 21. Juli 1944 auf Befehl des Generalobersten Fromm auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof beigesetzt, aber kurz darauf auf Befehl Heinrich Himmlers exhumiert, kremiert und die Asche auf den Berliner Rieselfeldern verstreut, um deren Andenken auszulöschen - ein moderner Fall der damnatio memoriae.

General Oster wurde inhaftiert und in das KZ Flossenbürg verbracht, dort ermorderte ihn die SS am 9. April 1945 nach einem Pseudogerichtsverfahren durch Erhängen [zusammen mit u.a. Admiral Canaris, Generalstabsrichter Dr. Sack und Dietrich Bonhoeffer] unter entwürdigenden Umständen, auch ihnen enthielten die Mörder Grab und Andenken vor, stattdessen verstreuten sie deren Asche an unbekanntem Ort.

Für den Eintrag: D.R.