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Deutsche ruhen in italienischer Erde

Würdevolle Bestattung in Pomezia

VELLETRI/ITALIEN. Es kommt sicher nicht häufig vor, dass so viele Menschen zum Begräbnis eines Toten kommen, den sie überhaupt nie gekannt haben. Anders ist es auf der deutschen Kriegsgräberstätte im italienischen Pomezia: Hier wird Mitte August 2015 ein deutscher Soldat gemeinsam mit einem weiteren Weltkriegstoten eingebettet. Beide starben vor über 70 Jahren. Bestattet wurden sie vor wenigen Tagen – im Beisein von etwa 60 Deutschen und Italienern, von Jung und Alt, Armeeangehörigen und Zivilisten. Der Hinweis auf die Fundstelle kam von einem Militärhistoriker. Das Grab fand sich auf einem belebten Platz mitten in der Stadt Velletri.

Sieben Jahrzehnte lang gingen die Bürger von Velletri mit ihren Einkäufen, die Kinder an der Hand, unwissentlich über das Grab eines unbekannten deutschen Soldaten. Nur wenige Zentimeter unterhalb des Kopfsteinpflasters lagen seine Gebeine, während oben zur gleichen Zeit das Leben seinen üblichen Lauf nahm. Vermutlich würden sie heute noch dort liegen, wenn da nicht der italienische Historiker Paulo Carotenuto sowie der Zeitzeuge Maurizio Tomassoni gewesen wären. Sie waren es, welche die besagte Grabstelle nach eigenen Recherchen auf einem Foto identifiziert hatten.

Die historische Aufnahme zeigt die italienische Stadt etwa 40 Kilometer südöstlich von Rom kurz nach dem Einmarsch der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg. Auf dem Bild ist festgehalten, wie amerikanische Soldaten einen in Wehrmachtsuniform gekleideten Toten direkt neben dem Fahrweg notdürftig verscharren. In der Eile des Vormarsches kam es sicher nicht selten vor, dass die Bestattung feindlicher Soldaten in großer Eile geschah. Später geriet die Grablage auch unter den Bewohnern der Stadt Velletri allmählich in Vergessenheit. Die folgende Befragung eines Zeitzeugen vor Ort sowie die Einsichtnahme verschiedener Zeitdokumente ergeben später ebenfalls, dass dieses Grab seither nicht mehr geöffnet wurde. Nun greifen die üblichen Mechanismen: Es gilt, verschiedene Anträge zu schreiben, Meldungen anzufertigen – und schließlich folgt die Organisation der Ausbettung selbst.

Ausbettung auf dem Marktplatz

Bei der Ausbettung von Kriegstoten ist äußerste Sorgfalt geboten. Jedes Fundstück kann das entscheidende Puzzlestück für die spätere Identifizierung liefern. (Foto: Luca Masi)

Mit einem kleinen Bagger gehen die Mitarbeiter des Volksbundes sowie der beauftragten Firmen schließlich unter den Augen des Militärhistorikers Paulo Carotenuto ans Werk. Sogar der benachbarte Verkehrskreisel muss dafür vorübergehend gesperrt werden. Das sorgt für Aufregung. Ohnehin ist eine so genannte Umbettung in einem voll erschlossenen urbanen Umfeld ein heikles Unterfangen. Konkret sind es die zahllosen unterirdischen Elektrokabel, Wasser- und auch Gasleitungen, die bei den Erdarbeiten zwangsläufig für große Schwierigkeiten und Zeitverzug sorgen. „Zum Glück konnte man aber auf dem alten Foto, das Paulo gefunden hatte, die genaue Grablage gut erkennen. Das hat sehr geholfen, ebenso wie das Georadar-Gutachten, das Paulo kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Sonst wäre es uns wahrscheinlich nicht gelungen, die sterblichen Überreste aus dem unterirdischen Leitungs-Wirrwarr zu bergen“, sagt der erfahrene Friedhofsverwalter Filippo Contino. Später wird der 48-Jährige auch die Gedenkfeier auf der Kriegsgräberstätte Pomezia für diesen Weltkriegstoten und einen weiteren vorbereiten, den der Volksbund nahe der Ortschaft Santissima Cosma e Damiano – dort aber unter einfacheren Bedingungen – geborgen hatte.

Auf dem Marktplatz in Velletri sollte dagegen zunächst eine Probesondierung mit einem dünnen und sehr langen Metallstab für größere Genauigkeit beim späteren Graben sorgen. Dieses Vorgehen erfordert viel Fingerspitzengefühl. Wenn man die ersten, etwas festeren Erdschichten mit dem Metallstab vorsichtig durchdrungen hat, gibt der Boden plötzlich nach, um später wieder in eine festere Schicht überzugehen. Das ist ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass hier schon einmal gegraben wurde. Anschließend wird der Boden zunächst vorsichtig mit dem Bagger, der Spitzhacke, später mit dem Spaten, der Maurerkelle und schließlich mit dem feinen Pinsel Schicht für Schicht sauber abgetragen. „Dies ist nicht nur wichtig, um die Würde des Toten zu wahren. Es geht auch darum, möglichst viele Fundstücke wie etwa die Erkennungsmarke oder auch private Dinge zu finden. Damit legen wir die Basis für die spätere Identifizierung“, sagt Filippo Contino. Anschließend werden alle Fundstücke eingesammelt und sämtliche Informationen zur Ausbettung in einem umfangreichen Protokoll festgehalten, das später ebenfalls zur offiziellen Identifizierung durch die Deutsche Dienststelle in Berlin herangezogen wird.

Wichtige Worte

Damit ist die Umbettung fast abgeschlossen. Für den letzten Akt sind dann keine Werkzeuge, sondern Worte besonders wichtig. So spricht bei der feierlichen Einbettungsfeier der Gemeindepfarrer Pater Pietro zu den eingangs erwähnten über 60 Gästen. Neben Pomezias Bürgermeister Fabio Fucci, sind auch einige Vertreter italienischer Traditionsverbände, Angehörige der Bundeswehr sowie Reservisten und auch die jugendlichen Teilnehmenden eines Workcamps des Volksbund-Landesverbandes Baden-Württemberg vor Ort. Die Jugendlichen aus verschiedenen Ländern Europas sind von der würdevollen Zeremonie besonders ergriffen. Im Anschluss erklärt ihnen der Historiker Carotenuto noch einmal ganz genau, wie es zu der Umbettung gekommen ist.

Jugendliche aus dem baden-württembergischen Workcamp in Monte Cassino legen auf der deutschen Kriegsgräberstätte Pomezia Blumen nieder. (Foto: Norman Görgl)

Diese Einbettung hinterlässt ihre Spuren. Es gibt viel, worüber die Jugendlichen und auch viele andere Gäste och lange nachdenken werden. Volksbund-Referatsleiter Siegfried Grund, der in Pomezia die Gedenkrede hält, bringt es mit den folgenden Worten abschließend auf den Punkt: „Hier soll bewusst werden, zu was Krieg und Gewaltherrschaft führen können. Welches Leid, Trauer und Schicksal es in den Familien und unter den Menschen auslöst. Die Kriegsgräberstätten aller Nationen sind nicht nur Orte der Erinnerung und des Gedenkens. Sie sind heute Ausgangspunkt für Verständigung, Aussöhnung für die Menschen ehemals verfeindeter Länder.“

Siegfried Grund und Filippo Contino