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Fluss mit zwei Farben

Die Isonzoschlachten jähren sich zum 100. Male

Eine Landschaft, so vielfältig und reichhaltig, dass man sich kaum daran satt sehen kann: die tiefgrünen Berge, bunte Wildblumenwiesen, blauer Himmel und der smaragdgrüne Isonzo, mit seiner atemberaubenden Farbe und dem Wechselspiel zwischen wild und sanft fließend. Ein so schönes Fleckchen Erde lädt mit jedem noch so kleinsten wunderbar farbigem Steinchen zum Urlaubmachen ein - so wunderschön die Region ist, so geschichtsträchtig ist sie auch!

Reisende würden wohl kaum erahnen, welch grausamer Kampf hier vor 100 Jahren wütete und den smaragdgrünen Isonzo blutrot färbte, wären die Spuren in Form von alten Bunkeranlagen und Denkmälern nicht allgegenwärtig. Bei insgesamt 12 Schlachten am Isonzo zwischen Italien und Österreich-Ungarn sowie dem deutschen Alpenkorps verloren hundertausende Soldaten ihr Leben.

Blumen für den Großonkel

So auch Rudolf Nölte, der mit nur 20 Jahren am 08.12.1917 seine ewige Ruhe an diesem so hart umkämpften Fluss fand und seit 1938 auf der Kriegsgräberstätte in Tolmin bestattet ist. Auch wenn er seit nunmehr 100 Jahren tot und an einem der Heimat weit entfernten Ort liegt, so hat ihn seine Familie nicht vergessen. Carsten Schulz reiste eigens aus Berlin an, der Heimatstadt aus der auch sein Großonkel einst an den Isonzo kam, um während der vom Volksbund mit Unterstützung der Kriegsgräberdienste aus Ungarn und Österreich organisierten Gedenkveranstaltung Blumen an seinem Grab nieder zu legen. So schritt Herr Schulz die massiven steinernen Stufen des Beinhauses hinauf und trat in die kleine Gedenkhalle, die vom Fackelschein feierlich erhellt wurde. Ein Moment voller Stille und Andacht erfüllte den Raum, als Carsten Schulz vor dem Namen seines ihm unbekannten Großonkels inne hielt.

Dieser besondere Moment blieb auch der slowenischen Presse nicht verborgen, die zahlreich zu der Gedenkveranstaltung am deutschen Soldatenfriedhof erschienen war. Denn Emotionen kennen keine Sprachbarrieren. Auf die Interviewanfrage des slowenischen TV-Senders willigte Schulz umgehend mit einer wegweisenden Aussage ein, die bedeutungsträchtiger kaum hätte sein können: "Wir sind es den Gefallenen und Hinterbliebenen aller Nationen schuldig, ein Zeichen des Friedens im Sinne der Völkerverständigung zu setzen."

Und so erzählte Schulz dem Fernsehreporter Milos Batistuta von seinem Großonkel Rudolf Nölte, der als junger Mann hier am Isonzo fiel und dessen Grab er heute zum ersten Male besucht. Er sei begeistert von der schönen Landschaft, die mit der Geschichte des Krieges im Hinterkopf doch zugleich auch in einem anderen, etwas matteren Licht erscheint.

Lernort Kriegsgräberstätte

Lernort Kriegsgräberstätte: Für die slowenischen Schulkinder war die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung zugleich ein Stück erlebte Geschichte.

Dessen bewusst sind sich auch die rund 30 Jugendlichen der siebten Klasse einer Schule in Ankaran, einer Gemeinde in Slowenien, die rund um die deutsche Kriegsgräberstätte Tolmin praktischen Schulunterricht abhielt. Neben Experimenten in Fächern wie Physik, Biologie und Chemie, auf dem Naturlehrpfad oder mit dem Wasser des Isonzos, unmittelbar neben der Kriegsgräberstätte, nutzten die 15 Jährigen mit ihren Lehrern einen Tag vor der Veranstaltung den Soldatenfriedhof für einen praktischen, anschaulichen Geschichtsunterricht.

Jeder, der einmal eine Kriegsgräberstätte besucht hat, weiß dass kein Buch der Welt die Gefühle auf einer solchen Ruhestätte vermitteln kann. Sie sind steinerne Zeugnisse eines grausamen Teils der Geschichte: den Auswirkungen von Krieg und Gewalt. Das Wissen um die Vergangenheit und die Auseinandersetzung damit, ist der Wegbereiter für eine friedfertige Zukunft, für die die Jugendlichen an diesem Tag und diesem Ort Pate stehen.

Gemeinsames Gedenken

 

Heinz Fromm vom Volksbund-Vorstand betonte ebenso wie die slowenische Botschafterin die große Bedeutung des gemeinsamen Gedenkens an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

Diese Ansicht teilt auch Heinz Fromm, Mitglied des Bundesvorstandes Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. , der in seiner Begrüßungsrede an das noch junge Alter so vieler Soldaten und die zurückgebliebenen Eltern, Geschwister oder Kinder erinnert.

"Ziel unserer Arbeit ist nicht nur, das Gedenken an sich, sondern auch zu zeigen, was Krieg bedeutet. Wir müssen den Frieden erhalten.", so Fromm im Interview mit einem slowenischen TV-Sender.

Eine Aussage, in der sich alle einig waren! Die Botschafterin der Republik Österreich in Slowenien, Frau Sigrid Berka unterstrich: "Jede dieser Veranstaltungen ist wichtig. Denn man kann nicht oft genug an das Grauen erinnern, das ein Krieg für die Menschen - egal ob Soldaten oder Zivilisten - bedeutet." Eine Aussage, die den vielen anwesenden Gästen aus dem Herzen zu sprechen schien.
Und so schwiegen über 300 anwesende Gäste, als der Deutsche Botschafter in Slowenien Klaus Riedel das Totengedenken sprach - ein Moment der Stille.

Neben den offiziellen Vertretern Sloweniens, Ungarns, Italiens, Österreich und Deutschlands, waren auch zwei Reisegruppen des Volksbundes aus Oberfranken und der Oberpfalz anwesend, ebenso wie Traditionsverbände aus Südtirol, Österreich und Ungarn, Angehörige und Ortsansässige.

Wo vor 100 Jahren erbittert gegeneinander gekämpft und gestorben wurde, setzten an diesem 13. Mai 2017 in Tolmin Menschen aus allen an den damaligen Schlachtenbeteiligten Nationen ein Zeichen für eine Zukunft, die wir gemeinsam in Frieden gestalten wollen.

Stefanie Nebel